Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
a) Begriff, Funktion und Rechtsgrundlage der Abmahnung
Rz. 1
Die Abmahnung hat als eigenes durch Richterrecht begründetes und entwickeltes Rechtsinstitut im Vorfeld einer Kündigung Bedeutung erlangt. Neben der kündigungsrechtlichen Funktion hat sich die Abmahnung allgemein zu einem Instrument der Personalführung entwickelt, um aufgetretene Störungen zu beseitigen und eine geklärte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Die Abmahnung dokumentiert als Bestandteil der Personalakte Leistungs- und Führungsverhalten und kann daher das berufliche Fortkommen der Arbeitnehmer nachhaltig beeinflussen.
Rz. 2
Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfall der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei (BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07, NZA 2009, 842 = ArbRB 2009, 163; BAG v. 17.2.1994 – 2 AZR 616/93, NZA 1994, 656 = BB 1994, 1148). Bei dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber in der vorangegangenen Abmahnung für den Wiederholungsfall nicht ausdrücklich (auch) eine außerordentliche Kündigung androhen (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, juris).
Rz. 3
Demgemäß unterscheidet man zwei Funktionen der Abmahnung:
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die Rügefunktion der Abmahnung, nämlich die Beanstandung eines konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Der Arbeitgeber macht deutlich, dass er ein bestimmtes Verhalten nicht als vertragsgemäß hinnimmt, sondern als Verletzung des Arbeitsvertrages ansieht; |
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die Warnfunktion der Abmahnung, der Arbeitgeber droht für den Wiederholungsfall Konsequenzen an, d.h. dem Arbeitnehmer wird vor Augen geführt, dass er bei erneuter Pflichtwidrigkeit mit Maßnahmen rechnen muss, die abgestuft nach der Schwere und der Bedeutung der Pflichtverletzung |
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eine Versetzung, |
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eine Änderung des Arbeitsvertrages (z.B. Rückstufung vom Substituten zum Verkäufer oder von der Meisterfunktion zum Vorarbeiter oder allgemein den Entzug von Führungsaufgaben), |
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einen Widerruf einer Leistungszulage oder Kürzung von freiwilligen Vergütungsbestandteilen oder |
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eine fristgemäße oder fristlose Kündigung zur Folge haben können. |
Rz. 4
Mit diesen beiden eng verbundenen Elementen – Rüge und Warnung – unterscheidet sich die Abmahnung von bloßen Rügen oder Beanstandungen in Form einer Ermahnung, Mahnung, Verwarnung oder einer anders ausgedrückten bloßen Missbilligung des Arbeitgebers ggü. seinen Beschäftigten. Hierbei handelt es sich um bloße Vorstufen der Abmahnung. Da diese Beanstandungen keine Kündigungsandrohung enthalten, sind sie kündigungsrechtlich ohne Relevanz.
b) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung
aa) Konkretisierung der Pflichtverletzung
Rz. 5
Häufigste Fehlerquelle der Abmahnung ist die unzureichende Umschreibung der Pflichtverletzung. Die Abmahnung kann ihren Sinn und Zweck nur erfüllen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern. Die Konkretisierungspflicht erfordert es, exakt darzulegen, welche näher zu beschreibenden Leistungsmängel oder Pflichtwidrigkeiten und welches Verhalten im Einzelfall gerügt wird und auf welchen näher zu beschreibenden Lebenssachverhalt die Rüge zurückgeht (Ort, Zeit, Beteiligte sollten genannt werden). Schlagwortartige Hinweise und Wertungen wie bspw.
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fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit, |
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Unzuverlässigkeit, |
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der Umgang mit Kunden oder die Arbeitsleistungen ließen erneut zu wünschen übrig, |
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ungebührliches Verhalten, |
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mangelndes Interesse, |
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Führungsschwäche oder dergleichen |
genügen nicht. Vielmehr sollte formuliert werden:
Rz. 6
Muster 21.1: Konkretisierte Pflichtverletzung in der Abmahnung
Muster 21.1: Konkretisierte Pflichtverletzung in der Abmahnung
Nachdem Sie Montag, Dienstag und Mittwoch der letzten Woche jeweils um eine halbe Stunde zu spät gekommen sind und dafür auch nach Befragung keinen Entschuldigungsgrund genannt, sondern nur mit den Schultern gezuckt haben, sind Sie heute Morgen wiederum 45 Minuten zu spät, nämlich erst um 8.45 Uhr zur Arbeit erschienen. Wir legen Wert darauf, dass alle Mitarbeiter – auch Sie – die Arbeit pünktlich aufnehmen. Sie können die Verspätung auch nicht dadurch wiedergutmachen, dass Sie schneller arbeiten oder freiwillig länger bleiben. Ihr wiederholtes Zuspätkommen verstößt gegen Ihre arbeitsvertraglichen Leistungspflichten. Wir sind nicht bereit, dies länger hinzunehmen und werden im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis mit Ihnen kündigen.
Rz. 7
Einerseits muss dem Arbeitnehmer vor Augen geführt werden, was der Arbeitgeber konkret von ihm erwartet. Andererseits folgt aus der Dokumentationsfunktion der Abmahnung, dass sie aus sich heraus ein zutreffendes Bild von dem gerügten Vorfall vermitteln muss. Es ist nicht empfehlenswert, den Vorwurf im Abmahnungsschreiben auf ein Stichwort wie etwa "unzureichende Arbeitsleistung" oder "grob fahrlässige Verursachung eines Schadens" oder etwa "Beanstandungen von Kunden" zu beschränken und i.Ü. auf ein darüber geführtes Gespräch Bezug zu nehmen. Die Personalakte muss ein zutreffendes un...