Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1601
Die gesetzliche Unfallversicherung soll vor allem Arbeitgeber von Schadensersatzforderungen ihrer Arbeitnehmer freistellen und Arbeitnehmern finanziellen Ausgleich bei Arbeitsunfällen, Unfällen auf dem Weg von und zur Arbeit sowie von beruflich bedingten Krankheiten gewähren. Außerdem soll dem Eintritt dieser Unfälle und Krankheiten sowie arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren (präventiv) entgegengewirkt werden.
a) Rechtsquellen/Träger
Rz. 1602
Die gesetzliche Unfallversicherung ist im SGB VII sowie ergänzenden Rechtsverordnungen, insb. der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) v. 31.10.1997 (BGBl I, 2623) i.d.F. v. 12.6.2020 (BGBl I, 1248), geregelt.
Rz. 1603
Träger der Unfallversicherung sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, die Unfallversicherung Bund und Bahn, die Unfallkassen der Länder, die Gemeindeunfallversicherungsverbände und Unfallkassen der Gemeinden, die Feuerwehr-Unfallkassen, die gemeinsamen Unfallkassen für den Landes- und den kommunalen Bereich. Innerhalb dieser Strukturen erfolgten seit 2010 organisatorische Zusammenschlüsse der verschiedenen Träger (s. UVMG v. 30.10.2008, BGBl I, 2130).
Rz. 1604
Ihre gesetzliche Aufgabe der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten erfüllen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch den Erlass von Unfallverhütungsvorschriften (UVV), wozu sie gesetzlich berechtigt und verpflichtet sind (§§ 14 ff. SGB VII). Unfallverhütungsvorschriften und ZH- bzw. BG-Bestimmungen der Berufsgenossenschaften konkretisieren die Pflichten des Arbeitnehmers hinsichtlich der Unfallverhütung entsprechend dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik (vgl. dazu ausführlich Rdn 204 ff. und § 23 Rdn 101 ff.).
b) Versicherungspflicht/Versicherung kraft Satzung/freiwillige Versicherung
Rz. 1605
Arbeitnehmer sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes pflichtversichert. Versicherungsfrei sind nur wenige, besonders genannte Personengruppen, z.B. Beamte und ihnen gleichgestellte Personen (§ 4 SGB VII).
Rz. 1606
Kraft Gesetzes sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII "Beschäftigte" versichert. Diesem Begriff unterfallen alle Personen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 SGB IV tätig sind. § 2 SGB VII stellt in 17 Nummern sehr unterschiedliche Personenkreise unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dazu gehören Lernende, Personen als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten, Hausgewerbetreibende sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten, Kinder während des Besuches von Tageseinrichtungen, Schüler während des Besuches von allgemein- und berufsbildenden Schulen, Studierende, ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege Tätige, Helfer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr, Blutspender, Personen in einer Rehabilitation, Pflegepersonen nach § 19 SGB XI usw.
Rz. 1607
Von besonderer Bedeutung ist die Versicherung von Personen, "die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden" (§ 2 Abs. 2 SGB VII).
Rz. 1608
Die Brisanz dieser Vorschrift verdeutlicht folgender Fall:
Beispiel
A erlitt einen schweren Unfall, als er gemeinsam mit B an dessen privat benutztem Pkw unentgeltlich Reparaturarbeiten ausführte. Als B zufällig den Wagenheber berührte, mit dem der Pkw aufgebockt war, wurde A, der unter dem Wagen lag, erheblich am Kopf verletzt. A machte über seinen Anwalt Schadensersatzansprüche auf dem Zivilrechtsweg gegen B geltend. Vor dem LG und dem OLG hatte er dem Grunde nach Erfolg. Der BGH wies die Klage ab, weil der Unfall als Arbeitsunfall zu qualifizieren sei. Dies habe zur Folge, dass Ansprüche des A nach §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen seien. Es habe sich um einen "Arbeitsunfall" gem. § 8 SGB VII gehandelt, weil A "wie ein Versicherter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII" tätig geworden sei und damit gem. § 2 Abs. 2 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Daraufhin meldete A den Unfall sofort der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen und machte Entschädigungsansprüche geltend. Die Berufsgenossenschaft gewährte erst ab dem Zeitpunkt der Meldung die Verletztenrente, lehnte die Gewährung einer Rente für die Zeit vor Meldung des Unfalles allerdings unter Bezugnahme auf Ausschluss- bzw. Verjährungsvorschriften ab. A ist hierdurch ein Schaden von etwa 30.000 EUR zuzüglich Zinsen entstanden (s. zu diesem Problemkreis BGH v. 16.12.1986, NJW 1987, 1643; BSG v. 25.6.1992, NJW 1993, 221).
Rz. 1609
Die Satzung des zuständigen Trägers der Unfallversicherung kann bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten sowie auf Personen, die sich in der Unternehmensstätte aufhalten, erstreckt (§ 3 SGB VII).
Rz. 1610
Sind Unternehmer, ihre mitarbeitenden Ehegatten sowie Personen, die wie Unternehmer tätig sind, weder kraft Gesetzes noch kraft Satzung versichert, können sie der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 6 SGB VII freiwillig beitreten.
c) Beitragspflicht
Rz. 1611
Die gesetzliche Unfallversicherung ist eine reine Unternehmerversich...