Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
a) Definition
Rz. 170
Es existiert keine gesetzliche Definition des Begriffes der Arbeitsordnung. Mangels gesetzlicher Definition wird der Begriff daher auch nicht zwingend einheitlich in der Rechtspraxis verwendet. Synonym verwendet werden z.B. die Begriffe: Betriebsordnung, Hausordnung, Verhaltenskodex. In der Praxis trifft man den Begriff der Arbeitsordnung zumeist als Überbegriff betrieblicher Regelungen des Arbeitgebers an. Solche betrieblichen Regelungen des Arbeitgebers sind entweder einseitig von ihm erstellte Regelwerke, mit denen er die soziale Ordnung der Arbeitnehmer im Betrieb und deren Verhalten regeln will, oder es handelt sich um Betriebsvereinbarungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Solche Betriebsvereinbarungen regeln dann ebenfalls das soziale Verhalten der Arbeitnehmer in Betrieb, teilweise enthalten sie auch Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. z.B. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08).
b) Rechtliche Bedeutung
Rz. 171
Begreift man die Arbeitsordnung als geschriebenen oder ungeschriebenen Kanon von Normen eines Betriebes, Unternehmens oder Konzerns, welche die betriebliche Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer lenken, kann man folgende Herkunft dieser Normen unterscheiden:
aa) Zwingende gesetzliche Regelungen
Rz. 172
Teilweise wird das soziale Verhalten der Arbeitnehmer bereits durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben, sodass der Arbeitgeber keinen Spielraum mehr hat, anderweitige Regelungen zuzulassen. In einem solchen Fall besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, da kein Raum für eine abweichende betriebliche Gestaltung bleibt (vgl. BAG v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21). Dies gilt z.B. für spezielle Rauchverbote, z.B. nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 2 Nichtraucherschutzgesetz NRW. Danach ist das Rauchen in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen allgemein untersagt. Der Arbeitgeber muss also seinen Arbeitnehmern das Rauchen in diesen Betrieben untersagen. Ein Spielraum, den man durch Ausübung des Direktionsrechtes nutzen könnte, oder Raum für eine Betriebsvereinbarung, die Ausnahmen vom Rauchverbot zuließe, verbleibt daher in diesen Fällen nicht. Solche zwingenden Regelungen sind vielfältig und über zahlreiche Arbeitsschutzgesetze verteilt. Bspw. regeln die Bestimmungen der §§ 1, 3, 7 und 12 AGG das Verbot "unwillkommener sexueller Zudringlichkeiten oder Körperkontakte, Gesten und Aussagen sexuellen Inhalts" inhaltlich, sodass kein Raum für eine ergänzende oder gar ersetzende betriebliche Regelung bliebe (BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07).
Rz. 173
Im internationalen Kontext stellt sich dabei die Frage, ob und inwieweit ausländische gesetzliche Regelungen das inländische Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG blockieren. In der Honeywell-Entscheidung hat das BAG hierzu zutreffend erkannt, dass ausländische Vorschriften jedenfalls dann keine die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG ausschließende gesetzliche Regelungen sind, wenn es an einer wirksamen völkerrechtlichen Transformation in das deutsche Arbeitsrecht fehlt (BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07). Das Mitbestimmungsrecht wird aber dann nicht ausgeschlossen, wenn die gesetzliche Regelung (hier: EU-Verordnung) einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält, der einen rechtlichen Rahmen für die der Mitbestimmung unterliegenden Entscheidung des Arbeitgebers festlegt (BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 63/10).
bb) Mitbestimmte Arbeitsordnungen
Rz. 174
Mitbestimmte Arbeitsordnungen basieren auf § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Von diesem Mitbestimmungstatbestand erfasst wird nach der Rspr. des BAG die gesamte Gestaltung des Zusammenlebens der Arbeitnehmer im Betrieb (BAG v. 24.3.1981 – 1 ABR 32/78). Dieser praktisch wichtige Mitbestimmungstatbestand erfasst nicht nur die Normierung der entsprechenden Verhaltensregeln für die Arbeitnehmer, sondern auch deren Vollzug (Richardi/Richardi, BetrVG, § 87 Rn 176). Es geht hierbei regelmäßig um verbindliche Regeln des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer, nicht jedoch des sog. Arbeitsverhaltens der Arbeitnehmer (BAG v. 10.3.2009 – 1 ABR 87/07). Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setzt allerdings nicht notwendig voraus, dass es sich um verbindliche Verhaltensregeln handelt. Es greift ausnahmsweise auch dann ein, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen, ohne dass sie verbindliche Vorgaben zum Inhalt haben. Ausreichend ist es, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung des Betriebes zu gewährleisten (BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07; BAG v. 18.4.2000 – 1 ABR 22/99).
Rz. 175
Überhaupt kein Mitbestimmungsrecht besteht im Hinblick auf das außerdienstliche Verhalten der Arbeitnehmer, das auch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht zugänglich ist. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berechtigt also die Betriebsparteien nicht, in die p...