Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
a) Allgemeines
aa) Begriff und Bedeutung des betrieblichen Vorschlagswesens
Rz. 459
Der Begriff des betrieblichen Vorschlagswesens erfasst gemeinhin sämtliche Systeme und Verfahrensweisen, die in teilweise institutionalisierter Form im Betrieb bzw. Unternehmen, sei es nur vorübergehend oder auf Dauer angelegt, für den Fall Prämien in Aussicht stellen, dass einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen derselben über ihre Dienstpflichten und ihren konkreten Aufgabenbereich hinaus, freiwillig einen Beitrag zur Verbesserung der betrieblichen Arbeit leisten.
Rz. 460
Zu diesem Zweck umfasst das betriebliche Vorschlagswesen vor allem Maßnahmen, die zur Anregung und Offenbarung von Verbesserungen betrieblicher Arbeit oder betrieblicher Einrichtungen führen sollen und zwar von der Einreichung des jeweiligen Verbesserungsvorschlages über dessen Sichtung, Bewertung und Prämierung bis hin zur konkreten betrieblichen Verwendung.
Rz. 461
Unternehmen bietet die Einführung eines solchen Instrumentes die Möglichkeit, Innovationspotenziale ihrer Mitarbeiter gezielt zu nutzen, die Mitarbeiter zu eigener Kreativität zu motivieren, die Identifikation mit dem Unternehmen zu erhöhen, das Unternehmensklima zu verbessern, Abläufe zu optimieren und dadurch sowohl Kosten zu senken als auch die Produktivität zu steigern.
Rz. 462
Im Gesetz ist das betriebliche Vorschlagswesen in § 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG verankert. Demnach kommt dem Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die "Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesens" zu.
bb) Begriff des Verbesserungsvorschlags
Rz. 463
Angesichts der unzähligen Erscheinungsformen der betrieblichen Tätigkeit ist als Verbesserungsvorschlag i.S.d. betrieblichen Vorschlagswesens jede Idee und Anregung technischer, kaufmännischer, organisatorischer oder auch sozialer Art anzusehen, die geeignet ist, einen betrieblichen Zustand zu verbessern. Das betriebliche Vorschlagswesen kann sich somit inhaltlich bspw. auf die Erhöhung der Arbeitssicherheit, auf Vorschläge zur Produktionssteigerung bzw. Kostensenkung, auf Qualitätssicherung, auf die Optimierung von Prozessen, die Förderung der menschlichen Zusammenarbeit oder auch die Verbesserung sozialer oder sonstigen Betriebseinrichtungen beziehen. Der Begriff des Verbesserungsvorschlages ist im Rahmen einer Betriebsvereinbarung näher zu bestimmen, insb. können die Betriebsparteien auch einzelne Bereiche ausschließen (LAG Saarland v. 25.4.2007 – 1 Sa 5/07, Verbesserungsvorschlag betreffend Geschäftspolitik und Geschäftsgrundsätze).
Rz. 464
Begrifflich ist der Verbesserungsvorschlag ggü. der Arbeitnehmererfindung (§ 2 ArbnErfG) und dem sog. technischen Verbesserungsvorschlag (§§ 3, 20 ArbnErfG) abzugrenzen, welche beide im ArbnErfG definiert und geregelt sind. Die Regelungen des ArbnErfG über die Behandlung von Arbeitnehmererfindungen und qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge sind insoweit abschließend und haben Vorrang vor den Grundsätzen über das betriebliche Vorschlagswesen.
Rz. 465
Arbeitnehmererfindungen sind Erfindungen von Arbeitnehmern, die durch Patente oder Gebrauchsmuster schutzfähig sind (§ 2 ArbnErfG). Technische Verbesserungsvorschläge hingegen sind Vorschläge für technische Neuerungen, die wegen ihres geringeren Erfindungsgrades nicht patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (§ 3 ArbnErfG). Gem. § 20 Abs. 1 ArbnErfG sind qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge solche, die dem Arbeitgeber eine ähnliche Vorzugsstellung wie ein gewerbliches Schutzrecht (Patent oder Gebrauchsmuster) gewähren und ihm hierbei die tatsächliche Möglichkeit bieten, den Gegenstand des Verbesserungsvorschlages unter Ausschluss der Konkurrenz zu verwerten. Es ist nicht erforderlich, dass der Vorschlagsgegenstand vom Arbeitgeber zum Betriebsgeheimnis deklariert worden ist; eine monopolähnliche Vorzugsstellung im unternehmerischen Wettbewerb reicht aus (BGH v. 26.11.1968 – X ZR 15/67).
Rz. 466
Im Gegensatz dazu versteht man unter einem einfachen technischen Verbesserungsvorschlag einen Verbesserungsvorschlag, der sich, ohne schutzfähig zu sein, auf technisches Gebiet bezieht, der aber dem Arbeitgeber im unternehmerischen Wettbewerb keine faktische Monopolstellung gewährt. § 20 Abs. 2 ArbnErfG klammert diese Art von Verbesserungsvorschlägen aus und überlässt deren Regelung Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.
Rz. 467
Ein Verbesserungsvorschlag, welcher i.R.d. betrieblichen Vorschlagswesens als besondere Leistung eines Arbeitnehmers honoriert werden soll, muss folgende Merkmale erfüllen (Gaul, BB 1992, 1710; Brinkmann, Das betriebliche Vorschlagswesen, S. 59; Schwab, AR-Blattei SD 1760 Rn 10):
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er muss eine freiwillige Sonderleistung des Arbeitnehmers darstellen, d.h. die Leistung muss über den Rahmen des arbeitsvertraglich umschriebenen Aufgaben- und Verantwortungsbereiches hinausgehen, |
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seine Umsetzung muss im Betrieb eine Verbesserung bewirken, |
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es muss sich um einen für den Betrieb in rentabler Weise verwertbaren Vorschlag handeln, |
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inhaltlich darf er sich nicht nur in der Bemängelung betrieblicher Dinge erschöpfen, sondern muss eine Lösung enthalten. |