Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
a) Erfüllungsanspruch vor Abschluss des Arbeitsvertrags
Rz. 815
Grds. haben weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer ein erzwingbares Recht auf Abschluss des Arbeitsvertrages. Der Arbeitnehmer hat selbst dann keinen Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses, wenn ein solches aufgrund eines vom Arbeitgeber zu vertretenen Verstoßes gegen das AGG nicht zustande gekommen ist. Es kommen daher allenfalls Schadensersatzansprüche gem. § 15 AGG bzw. aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB) in Betracht. So haftet der Arbeitgeber, der einem Stellenbewerber erklärt, er könne sicher mit der Einstellung rechnen, bei einem nicht durch sachliche Gründe veranlassten Abbruch der Vertragsverhandlungen auf Ersatz des Vertrauensschadens (LAG Köln v. 28.7.1993 – 2 Sa 199/93, LAGE § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluss Nr. 2).
Rz. 816
Ausnahmsweise bejaht die Rspr. allerdings auch einen Erfüllungsanspruch. Erklärt z.B. der Arbeitgeber bei Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses, er werde die Frage der späteren Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis unter ganz bestimmten Voraussetzungen (z.B. Eignung, Bewährung) prüfen, erweckt er hierdurch eine bestimmte Erwartung des Arbeitnehmers (Vertrauen auf das in Aussicht gestellte unbefristete Arbeitsverhältnis). Wenn er diese Vorstellung auch noch während der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bestätigt, kann es unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens von § 315 BGB widersprüchlich sein, eine Übernahme trotz Vorliegens der selbst bestimmten Voraussetzungen wegen Eintretens solcher Umstände, die auch eine Kündigung nicht gerechtfertigt hätten, abzulehnen (z.B. Schwangerschaft, Schwerbehinderung). Der Abschlusszwang ergibt sich dann nicht aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen, sondern aus der insoweit erfolgten Selbstbindung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist dann aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss im Wege des Schadensersatzes verpflichtet, Erfüllung zu gewähren, da der Schaden gerade in dem Nichtabschluss eines Arbeitsvertrages liegt (BAG v. 16.3.1989 – 2 AZR 325/88, NZA 1989, 719 = DB 1989, 1728).
b) Erfüllungsanspruch nach Vertragsabschluss
Rz. 817
Der Arbeitgeber kann gegen seinen Arbeitnehmer auf Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten klagen. Bei vertretbaren Arbeitsleistungen, bei denen es also für den Arbeitgeber unerheblich ist, ob sie der Arbeitnehmer oder ein Dritter erfüllt, kann der Arbeitgeber gem. § 887 ZPO vom Vollstreckungsgericht ermächtigt werden, einen Dritten auf Kosten des Arbeitnehmers mit der Erbringung der Leistung zu beauftragen.
Rz. 818
Aufgrund des Grundsatzes der persönlichen Arbeitsleistung gem. § 613 S. 1 BGB handelt es sich bei Arbeitspflicht jedoch grds. um eine unvertretbare Handlung (vgl. Rdn 181 ff.). Die Erbringung unvertretbarer Dienste kann nach § 888 ZPO nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. In diesen Fällen wird die geschuldete Verpflichtung in der Weise vollstreckt, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld oder durch Zwangshaft angehalten wird. Der Arbeitgeber kann eine Klage auf Erbringung der Arbeitsleistung mit einem Antrag auf Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG verbinden; die Höhe der Entschädigung ist entsprechend der vorstehenden Norm nach freiem Ermessen vom ArbG festzusetzen. Der Anspruch auf Erfüllung der Arbeitspflicht kann nach herrschender Meinung nicht mittels einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden (vgl. Arbeitspflicht, Rdn 184).
Rz. 819
Der Arbeitgeber ist in einem bestehenden Arbeitsverhältnis verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen (BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 = DB 1985, 2197). Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig (BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 186/14, juris; BAG v. 21.9.1993 – 9 AZR 335/91, juris). Der Beschäftigungsanspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG v. 9.4.2014 – 10 AZR 637/13, juris). Dies kann etwa der Fall sein beim Wegfall der Vertrauensgrundlage, bei Auftragsmangel, bei einem Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers (BAG v. 21.3.2018 -10 AZR 560/16, juris) oder bei einem demnächst zur Konkurrenz abwandernden Arbeitnehmer aus Gründen der Wahrung von Betriebsgeheimnissen (BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 = DB 1985, 2197). Die Freistellung lässt den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers unberührt (BAG v. 17.7.2013 – 9 AZR 50/12, juris). Eine einvernehmliche Freistellung ist zulässig, sofern sie individualvertraglich erfolgt (Bauer, NZA 2007, 409). Nach h.M. ist dagegen in einem vorformulierten Arbeitsvertrag eine Freistellungsklausel, die ohne weitere Vorbedingungen den Arbeitgeber für die Kündigungsfrist zur Freistellung des Arbeitnehmers berechtigt, unwirksam, da sie den Arbeitnehmer gemäß § 307 BGB unangemessen benachteiligt (so u.a. LAG Hamburg v. 24.7.2013 – 5 SaGa 1/13, juris; LAG Hessen v. 20.3.2013 – 18 SaGa 175/13, juris, a.A. LAG Rheinland-Pfalz v. 30.6.2005 – 12 Sa 99/05, juris).
Die Durchsetzung des Besch...