Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1028
Kurzarbeit ist die auf den gesamten Betrieb oder bestimmte organisatorisch abgrenzbare Teile eines Betriebes bezogene Reduzierung bzw. Einstellung der sonst betriebsüblichen Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum. Umfang und Dauer der Reduzierung können höchst unterschiedlich sein. Überbrückt werden sollen auf diese Weise Zeiten schlechter Auftragslage ohne Entlassung der betroffenen Arbeitnehmer. Grds. sind allerdings fehlende Aufträge oder eine zu geringe Auslastung der Produktionskapazitäten das Risiko des Arbeitgebers. Fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten bringen ihn in Annahmeverzug gem. § 615 BGB, sodass er zur Zahlung der vollen vereinbarten Vergütung verpflichtet bleibt. Diese für den Betrieb unter Umständen existenzbedrohenden Folgen können durch Einführung von Kurzarbeit gemildert werden.
Rz. 1029
Für die Einführung und Durchführung der Kurzarbeit ist eine Rechtsgrundlage erforderlich, die üblicherweise in den Tarifverträgen enthalten ist, wo auch die Art und Weise der Ankündigung und Durchführung geregelt wird. Besteht keine tarifvertragliche Regelung, ist eine Betriebsvereinbarung oder eine Einzelvereinbarung notwendig. Die Betriebsvereinbarung muss zumindest die tatbestandlichen Vorgaben für die vorübergehende Reduzierung der betriebsüblichen Arbeitszeit festlegen. Die Vereinbarung hat daher hinreichende Angaben zu Dauer, Lage, Verteilung und Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer zu enthalten (BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 491/14). Die Einzelvereinbarung kann sowohl bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags getroffen werden als auch erst in der konkreten Situation. Eine solche nachträgliche Vereinbarung unter Zeitdruck erweist sich in größeren Betrieben meist als sehr problematisch, da mit jedem einzelnen Arbeitnehmer eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen werden muss. Dabei ist inhaltlich aufgrund der nach §§ 305 ff. BGB erfolgenden AGB Kontrolle Vorsicht geboten. Um eine überraschende Klausel nach § 305c BGB zu vermeiden, ist es ratsam, die Klauseln unter einem gesonderten Punkt aufzuführen oder alternativ eine Zusatzvereinbarung abzuschließen (Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 209; Gebel, BB 2015, 2485). Auch muss eine solche Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Stand halten. Eine Klausel, die dem Arbeitgeber die einseitige Anordnung von Kurzarbeit erlaubt, stellt nämlich eine Abweichung von § 611 BGB und § 2 KSchG dar. Eine solche Klausel ist unwirksam, wenn sie nicht explizit eine Ankündigungsfrist vorsieht (LAG Berlin-Brandenburg v. 7.10.2012 – 2 Sa 1230/10). Dabei sollte die Ankündigungsfrist nicht zu knapp bemessen sein. Denn der Arbeitnehmer soll sich auf die geänderten Arbeitsbedingungen einstellen können. Insoweit empfiehlt sich eine mindestens dreiwöchige Ankündigungsfrist (Müller/Deeg, ArbRAktuell, 2010, 209). Eine Kurzarbeiterklausel ist auch dann unwirksam, wenn sie Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises völlig offenlässt (LAG Berlin-Brandenburg v. 7.10.2012, a.a.O.). Bislang wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden, welche Bedingungen eine Kurzarbeitsklausel i.S.d. § 307 BGB für ihre Wirksamkeit erfüllen muss (Paul, ArbRAktuell 2011, 19). Schließlich kommt als Rechtsgrundlage nur noch der Ausspruch einer Änderungskündigung in Betracht (näher hierzu Bauer/Günther, BB 2009, S. 662). Eine Anordnung von Kurzarbeit im Wege des Direktionsrechts ist nicht möglich (BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 491/14).
Praxistipp
Eine Formulierung der Kurzarbeitsklausel könnte wie folgt lauten (vgl. Müller/Deeg, ArbR Aktuell 2010, 209):
Der Arbeitgeber ist berechtigt, Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht. Da die Kurzarbeit zur Reduzierung von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt führt, beantragt der Arbeitgeber bei der BA die Gewährung von Kurzarbeitergeld, um die Entgeltreduzierung abzumildern. Wird der Antrag abgelehnt, ordnet der Arbeitgeber keine Kurzarbeit an. Die Anordnung von Kurzarbeit hat mit einer Ankündigungsfrist von drei Wochen ggü. Herrn/Frau X zu erfolgen. Die mit der Kurzarbeit verbundene Verringerung der Arbeitszeit erfolgt an jedem Arbeitstag zu gleichen Teilen und verkürzt die Dauer der täglichen Arbeitszeit um × Stunden. Sie wird einen Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten. Die Kurzarbeit betrifft den Bereich von …. Sie betrifft alle in diesem Bereich angestellten Arbeitnehmer … mit Ausnahme von …. Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer über die Dauer und die Modalitäten der Kurzarbeit informieren. Für die Dauer des Erholungsurlaubs gemäß Nr. X des Arbeitsvertrages ist Herr/Frau X von der Anordnung der Kurzarbeit ausgenommen.
Rz. 1030
Erleichterte Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit bestehen nur dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen einer Massenentlassung gem. § 17 KSchG vorliegen. Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, die Arbeitnehmer während d...