Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1346
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG), zuletzt durch das 2. Pflegestärkungsgesetz (BGBl I, 2424) geändert, gewährt wie bei der Elternzeit einen umfassenden Freistellungs- und Teilzeitanspruch, um ambulante Pflege im Kontext demografischer Herausforderungen insb. der Pflegeversicherung zu fördern. Eckpfeiler der Neuerung ist die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs (körperliche, kognitive und psychische Einschränkungen werden bei der Einstufung gleichermaßen berücksichtigt, sodass auch Menschen mit Demenzerkrankungen erfasst werden).
Nach § 44a Abs. 3 SGB XI besteht während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 des PflegeZG ein Anspruch auf eine aus der Pflegeversicherung finanzierte Entgeltersatzleistung in Höhe von 90 % des Nettoarbeitsentgelts (Pflegeunterstützungsgeld). Sie wird an Beschäftigte gezahlt, wenn diese eine zehntägige Berufsauszeit nehmen, um die Pflege eines nahen Angehörigen zu organisieren. Zudem gibt es einen Rechtsanspruch auf eine bis zu 24-monatige Familienpflegezeit. In dieser Zeit können Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden reduzieren, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu betreuen. Um den Verdienstausfall zu kompensieren, soll ein zinsloses Darlehen durch den Staat gezahlt werden. Der Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit soll jedoch nur für Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten gelten.
Rz. 1347
EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit
Zum 12.7.2019 wurde die "Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates" (im Folgenden: V-RL) im Amtsblatt der Europäischen Union (EU) veröffentlicht. Sie ist durch das Gesetz zur weiteren Umsetzung der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie in Deutschland (Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz – VRUG) zum 24.12.2022 umgesetzt worden. Arbeitgeber müssen nun unabhängig von der Betriebsgröße die Ablehnung eines Antrags auf Pflegezeit begründen, § 3 Abs 6a S. 3 PflegeZG. Für Beschäftigte in Kleinbetrieben, die mit ihrem Arbeitgeber eine Freistellung nach dem Pflegezeit- oder dem Familienpflegezeitgesetz vereinbaren, gelten die damit verbundenen Rechte und Rechtsfolgen, insbesondere haben sie auch einen Kündigungsschutz für die Dauer der vereinbarten Freistellung. Der Kündigungsschutz fängt mit dem Beginn der Freistellung an (§ 5 Abs. 1 S. 2 PflegeZG).
Rz. 1348
Das PflegeZG basiert auf drei Säulen:
Bei einer akut aufgetretenen Pflegesituation erhalten Beschäftigte nach § 2 PflegeZG das Recht, bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen (kurzzeitige Arbeitsverhinderung). Sie erhalten eine Lohnersatzleistung. Als Pflegeunterstützungsgeld werden im Grundsatz 90 % des wegfallenden Nettoentgelts gezahlt.
Zu einer längeren Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung können Berufstätige bis zu sechs Monate Pflegezeit in Anspruch nehmen (Pflegezeit). Beschäftigte können zwischen einer teilweisen und vollständigen Freistellung von der Arbeit für eine Pflegezeit wählen (§§ 3, 4 Abs. 1 PflegeZG). Ab 2015 gibt es einen Rechtsanspruch auf ein zinsloses Darlehen. Damit soll es für die Betroffenen leichter werden, ihren Lebensunterhalt in der Pflegephase zu bestreiten. Der Anspruch auf Pflegezeit besteht nicht ggü. Arbeitgebern mit regelmäßig 15 oder wenigen Beschäftigten. Die notwendige sozialversicherungsrechtliche Absicherung während der Pflegezeit ist gewährleistet.
Neu ist zudem der Rechtsanspruch auf die 24-monatige Familienpflegezeit. Pflegende Beschäftigte können ihre Arbeitszeit bis auf eine Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden reduzieren. Auch hierfür wird ein zinsloses Darlehen ermöglicht, dass beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten zu beantragen ist. Der Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit gilt nicht gegenüber Arbeitgebern mit 25 oder weniger Beschäftigten.
Rz. 1349
Zum Schutz des Beschäftigten ist in § 5 PflegeZG ein besonderer Kündigungsschutz vorgesehen. Von den Bestimmungen des PflegeZG kann nicht zuungunsten des Beschäftigten abgewichen werden.
a) Beschäftigte i.S.d. PflegeZG
Rz. 1350
Beschäftigte i.S.d. PflegeZG sind nach § 7 Abs. 1 Arbeitnehmer und zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte (i.S.d. § 26 BBiG, z.B. Volontäre und Praktikanten) und auch arbeitnehmerähnliche Personen. Das PflegeZG erfasst schließlich auch die in Heimarbeit Beschäftigten und diesen Gleichgestellten (§ 1 HAG).
b) Nahe Angehörige
Rz. 1351
Zu den nahen Angehörigen zählen nach § 7 Abs. 3 PflegeZG neben
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Eltern, Großeltern und Schwiegereltern (Nr. 1), Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft (Nr. 2), |
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Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners sowie Schwiegerkinder und Enkelkinder (Nr. 3). |
Der Begriff der "nahen Angehörigen" wurde für in § 7 Abs. 3 Pf...