Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
a) Begriffsbestimmung
Rz. 1459
Schichtarbeit dient der möglichst effektiven Nutzung der Betriebsmittel und im Dienstleistungsbereich der Befriedigung der Nachfrage über die "normale" Tagesvollarbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus, z.B. in Verkehrsbetrieben oder in Krankenhäusern. Für die Schichtarbeit gibt es keine gesetzliche Definition, sodass auf die in der Rspr. des BAG entwickelte Begriffsbestimmung abgestellt werden muss, falls nicht im Einzelfall die Tarifvertragsparteien festgelegt haben, was sie unter Schichtarbeit oder Schichtdienst verstehen.
Rz. 1460
Nach der Begriffsumschreibung des BAG ist für die Schichtarbeit wesentlich, dass eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die wirkliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus anfällt und daher von mehreren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit erbracht wird (BAG v. 2.10.1996 – 10 AZR 232/96). Bei der Schichtarbeit arbeiten nicht sämtliche Beschäftigte eines Betriebes zur gleichen Zeit, sondern ein Teil arbeitet, während der andere Teil arbeitsfreie Zeit hat (BAG v. 2.10.1996 – 10 AZR 232/96; BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 351/11)
Rz. 1461
Schichtarbeit liegt bereits dann vor, wenn mindestens zwei Arbeitnehmer eine übereinstimmende Arbeitsaufgabe erfüllen, indem sie sich regelmäßig nach einem feststehenden Plan ablösen, wobei der jeweils abgelöste Arbeitsplatz nicht identisch zu sein braucht, wenn nur die jeweils betroffenen Arbeitnehmer gegenseitig austauschbar sind (BAG v. 4.2.1988 zu §§ 7, 18 Abs. 5 MTV WDR Köln v. 8.8.1979, DB 1988, 1855). Erfolgt die Ablösung zweier Arbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz allerdings in der Weise, dass sie zusammen die Zeitspanne der Normalarbeitszeit ausfüllen, liegt keine Schichtarbeit, sondern Job-Sharing vor (vgl. hierzu § 17 Rdn 125 f.). Die Leistung von Abrufarbeit schließt Schichtarbeit nicht aus (BAG v. 24.9.2008 – 10 AZR 106/08, auch zum Anspruch auf Schichtzulage bei Abrufarbeit).
b) Ausgestaltung der Schichtarbeit
Rz. 1462
Schichtarbeit führt ggü. der "Normalarbeit" zu erhöhten physischen und psychischen Belastungen, sodass der Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 ArbZG fordert, dass die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen ist.
Ergänzend dazu hat auch der EuGH im November 2017 entschieden, dass Art. 5 der Richtlinie 93/104/EG und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG über Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahingehend auszulegen sind, dass eine kontinuierliche Ruhezeit von 24 Stunden pro Woche eingehalten werden muss. Der einzuhaltende Ruhetag muss dabei nicht zwingend auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgen, sondern lediglich innerhalb eines Siebentageszeitraums gewährt werden (EuGH (Zweite Kammer) v. 9.11.2017 – C-306/16).
Rz. 1463
Vor diesem arbeitsschutzrechtlichen Hintergrund obliegt die Ausgestaltung der Schichtarbeit, zu der der Arbeitnehmer aufgrund einzelvertraglicher Absprache oder möglicherweise bei Tarifbindung aufgrund eines Tarifvertrages verpflichtet ist, den Betriebspartnern im Rahmen mitbestimmter Regelungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Stellt sich die Schichtarbeit zugleich als Nachtarbeit dar, sind die durch § 6 Abs. 2–6 ArbZG gezogenen Grenzen und die dort beschriebenen Mindeststandards zu beachten. Soweit ein Betriebsrat nicht besteht, kann der Arbeitgeber innerhalb der vertraglichen oder tarifvertraglichen Vorgaben im Rahmen billigen Ermessens (§ 106 GewO) nähere Bestimmungen zur Schichtarbeit kraft seines Direktionsrechtes treffen.
c) Zulagen
Rz. 1464
Nach der Rspr. des BAG ist eine Zulage, die für besondere Belastungen gewährt wird, z.B. eine Wechselschichtzulage für die ständige Umstellung des Lebensrhythmus tarifbeständig, d.h. sie darf nicht mit Tariflohnerhöhungen verrechnet werden, wenn nicht ein Anrechnungsvorbehalt ausdrücklich vereinbart worden ist (BAG v. 23.3.1993 – 1 AZR 520/92).
d) Teilzeitbeschäftigte
Rz. 1465
Arbeiten Teilzeitbeschäftigte in Wechselschicht, ist eine anteilige Kürzung der Wechselschichtzulage wegen der im Vergleich zu Vollzeitkräften geringeren Belastung gerechtfertigt. Das BAG (v. 24.9.2008 – 10 AZR 634/07) hat darüber hinaus entschieden, dass eine Gleichbehandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer beim Arbeitsentgelt oder bei anderen teilbaren geldwerten Leistungen nach dem in § 4 Abs. 2 TzBfG normierten Pro-rata-temporis-Grundsatz von vornherein eine Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit ausschließt. Anspruch auf die volle Wechselschichtzulage besteht allerdings gleichwohl, wenn trotz der Teilzeitbeschäftigung die tariflichen Mindestvoraussetzungen für den Bezug der Wechselschichtzulage erfüllt sind, z.B. ein Mindestzeitvolumen an Nachtarbeit geleistet wird. In dem Fall wäre eine – selbst tarifvertraglich vorgesehene – anteilige Kürzung ein Verstoß gegen das Verbot unterschiedlicher Behandlung von Teilzeitkräften ggü. Vollzeitkräften gem. § 4 Abs. ...