Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 837
Gem. § 618 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und die Dienstleistungen so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, wie die Natur des Betriebes und der Arbeit es gestatten. Entsprechende Regelungen für bestimmte Berufsgruppen finden sich in § 62 HGB (Handlungsgehilfen), § 12 HAG (Heimarbeiter) sowie § 28 JArbSchG (Jugendliche). Die Generalklausel des § 618 BGB wird durch eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften konkretisiert. Hierbei sind vor allem das ArbSchG, die ArbStättVO, das GSG, die UVV der Berufsgenossenschaften, die BetriebssicherheitsVO, die RöntgenVO, die StrahlenschutzVO, die GefahrstoffVO sowie die LärmVibrationsArbSchV zu nennen (vgl. im Einzelnen Teil 5). Den Vorschriften des technischen Arbeitsschutzes kommt eine Doppelwirkung zu, soweit ihre Schutzpflichten über § 618 Abs. 1 BGB in das Arbeitsvertragsrecht transformiert werden. In diesem Fall sind sie neben öffentlich-rechtlichen Pflichten zugleich unabdingbare Pflichten des Arbeitgebers i.S. eines einzuhaltenden Mindeststandards (BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 347/15, juris; BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06, NZA 2009, 102 = DB 2008, 2030).
Rz. 838
Im Rahmen Corona-Pandemie kam dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer im Rahmen der Schutz- und Rücksichtnahmepflicht besondere Bedeutung zu. Die Anfang Februar 2023 aufgehobene SARS-Co V-2 Arbeitsschutzverordnung hatte das Ziel, das Risiko einer Infektion mit dem Virus bei der Arbeit zu minimieren und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. So hatte der Arbeitgeber alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Bei der gleichzeitigen Nutzung von Räumen musste eine Mindestfläche von 10 Quadratmetern pro Person gegeben sein. Sofern zwingende betriebsbedingte Gründe die Einhaltung dieser Mindestfläche nicht zugelassen haben, hatte der Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen einen gleichwertigen Schutz der Beschäftigten herzustellen, insbesondere durch Lüftungsmaßnahmen, Abtrennungen zwischen den Arbeitnehmern und der Zurverfügungstellung von medizinischen Gesichtsmasken. Der Arbeitgeber musste auch medizinische Masken zur Verfügung stellen, wenn der Arbeitnehmer Wege vom und zum Arbeitsplatz innerhalb von Gebäuden zurücklegen muss. Weiterhin hatten Arbeitgeber die Pflicht, jedem Beschäftigten zweimal in der Woche einen Corona-Test anzubieten. § 28b des Infektionsschutzgesetzes wurde bis Ende Juni 2021 um Abs. 7 ergänzt, wonach der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Home-Office anzubieten hat, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Der Arbeitnehmer hat dies anzunehmen, soweit keine Gründe (z.B. räumliche Enge oder Störung durch Dritte) entgegenstehen.
Rz. 839
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Beschäftigten vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen, ergibt sich auch direkt aus § 618 Abs. 1 BGB i.V.m. den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften(Schaub/Linck, ArbRHB, § 45 Rn 41a). Damit der Arbeitgeber dieser Verpflichtung gegenüber anderen Arbeitnehmern nachkommen kann, ist ein Beschäftigter verpflichtet, dem Arbeitgeber eine diagnostizierte Corona-Erkrankung und etwaige Kontaktpersonen im betrieblichen Umfeld mitzuteilen (Küttner/Röller/Köllmann, COVID-19 Rn 27). Überdies ist der Arbeitnehmer im Fall eines begründeten Infektionsverdachts zur Beibringung eines ärztlichen Attestes verpflichtet (Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113) Eine generelle Verpflichtung zum Fiebermessen vor dem Betreten des Betriebsgeländes dürfte nur zulässig sein, wenn in dem Betrieb bereits mehrere Erkrankungen vorliegen oder sich in der Nähe ein "Hotspot" befindet (Fuhlrott, GWR 2020, 107, 107). Eine Impfpflicht ist aufgrund des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs beim Arbeitnehmer (Eingriff in die körperliche Unversehrtheit) vom Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht umfasst (Benkert, NJW-Spezial 2021, 50, 50; Wittek, ArbRAktuell 2021, 61, 62). Dagegen spricht viel dafür, dass die Auslobung von Impfprämien zulässig ist. Hier werden teilweise Bedenken aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz geäußert (Naber/Schulte, NZA 2021, 81, 85). Diese Auffassung überzeugt nicht, da die Impfprämie eine überobligatorische Mehrbelastung des Arbeitnehmers honoriert und damit ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der Geimpften und der Nichtgeimpften besteht (Benkert, NJW-Spezial 2021, 50, 51; Wittek, ArbRAktuell 2021, 61, 63; Fuhlrott/Fischer, NJW 2021, 657, 660). Bei einer Impfprämie ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beachten (Stück, CCZ 2020, 205, 213).