Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 216
Durch die zunächst zu stellende Frage nach dem inneren Zusammenhang der zum Unfall führenden Tätigkeit mit der versicherten Tätigkeit (BSG v. 30.4.1985 – 2 RU 24/84, BSGE 58, 76 = VersR 1985, 743), wird die Frage nach dem Umfang und den Grenzen des Versicherungsschutzes gestellt, d.h. danach, wie weit der Versicherungsschutz reicht bzw. welche Tätigkeiten dem Versicherungsschutz (noch) unterliegen.
Rz. 217
Rz. 218
Das ist i.d.R. unproblematisch für alle Unfälle auf der Arbeitsstätte und innerhalb der Arbeitszeit sowie auf den Wegen von und zur Arbeit. Allerdings ist nicht jeder Unfall, der sich während der Arbeitszeit und am Arbeitsort ereignet, immer auch ein Arbeitsunfall. Ein Arbeitsunfall liegt z.B. nicht vor, wenn der Unfall auf einer körpereigenen inneren Ursache des Verletzten beruht.
Beispiel
A stirbt auf der Arbeitsstelle. Es wird festgestellt, dass er herzkrank war und hierauf der Tod beruht.
Rz. 219
Die Rspr. erkennt einen sog. "Betriebsbann" für alles, was einem Versicherten während der Arbeit zustößt, nicht an (BSG v. 22.1.1976 – 2 RU 109/74, USK 7621).
Rz. 220
Problematischer ist die Frage des inneren Zusammenhanges zu beantworten bei privaten Verrichtungen auf Dienstreisen. Auch bei einer Dienstreise unterliegt der Verletzte nicht bei jeder Betätigung schon deshalb ohne Weiteres dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er sich im betrieblichen Interesse außerhalb seines Beschäftigungs- oder Wohnortes aufhalten und bewegen muss. Nach der ständigen Rspr. des BSG kommt es auch hier vielmehr darauf an, dass die unfallbringende Betätigung jeweils in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis steht (BSG v. 18.11.2008 – B 2 U 31/07 R; BSG v. 22.6.1976 – 8 RU 146/75, SozR 2200 § 548 Nr. 21; LSG Baden-Württemberg v. 18.7.2013 – L 6 U 1119/11). Deshalb muss unterschieden werden zwischen Betätigungen, die mit der Betriebstätigkeit im inneren Zusammenhang stehen und deshalb versichert sind, und solchen Verrichtungen, die der privaten Sphäre des Verletzten zuzurechnen sind. Bei Spaziergängen in der Freizeit fehlt regelmäßig die rechtlich wesentliche innere Beziehung zur versicherten Tätigkeit (BSG v. 30.7.1958 – 2 RU 177/75, NJW 1958, 1558 = BB 1958, 1058). Das gilt allerdings nicht, wenn der Spaziergang aus besonderen Gründen notwendig war und z.B. der Wiederherstellung oder Erhaltung der Leistungsfähigkeit diente. Das gilt z.B. auch, wenn sich eine versicherte Tätigkeit unmittelbar an diesen Spaziergang anschließt oder es sich bei dem Spaziergang um einen ersten Orientierungsgang um die Lehrgangsstätte handelt (BSG v. 26.4.1990 – 2 RU 54/89, BB 1990, 1703). Ein ehrenamtliches Mitglied eines Frauenchors ist bei einem öffentlichen Adventssingen in kirchlichen Räumlichkeiten unfallversichert, gerade wenn die Freude am Gesang und der Gemeinschaft im Vordergrund steht (BSG v. 8.12.2022 – B 2 U 19/20 R, zitiert nach Pressemitteilung).
Rz. 221
Ein innerer Zusammenhang ist immer anzunehmen, wenn die Tätigkeit ihrer Zweckbestimmung nach dem Unternehmen dienlich oder ihm zu dienen bestimmt ist. Dabei braucht dies nicht objektiv vorzuliegen; es reicht aus, wenn der Handelnde von der Dienlichkeit ausgehen durfte und hierfür Umstände objektiv vorliegen (BSG v. 28.2.1964 – 2 RU 30/61, BSGE 20, 215 = VersR 1964, 768). Ein ehrenamtlicher Vereinsvorsitzender eines Ortsvereins des Deutschen Roten Kreuzes eV (DRK) ist bei der Teilnahme an einer Versammlung eines anderen DRK-Ortsvereins unfallversichert, weil derartige Treffen des Hilfsdienstes wesentlich dienen (BSG v. 8.12.2022 – B 2 U 14/20 R, zitiert nach Pressemitteilung).
Rz. 222
Unfälle, die ein Versicherter beim Essen und Trinken oder der Verrichtung der Notdurft während der Arbeitszeit erleidet, stehen im Allgemeinen nicht in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Sie sind grds. dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen und somit unversichert, auch wenn sie der Erhaltung der Arbeitskraft dienen (BSG v. 22.6.1976 – 8 RU 146/75, SozR 2200 § 548 Nr. 20). Das gilt allerdings nicht, wenn diese Tätigkeiten im Wesentlichen arbeitsbedingt sind (z.B. Trinken infolge großer Hitze bei der Arbeit, BSG v. 30.6.1960 – 2 RU 132/59, BB 1960, 1062 = BSGE 12, 247; Essenzubereitung bei Fernfahrern auf einem Autobahnparkplatz mit den dadurch einhergehenden Unfallgefahren, BSG v. 22.6.1976 – 8 RU 146/75, SozR 2200 § 548 Nr. 20; Rauchen eines volljährigen Schülers außerhalb des Schulgeländes, BSG v. 28.6.2022 – B 2 U 20/20 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Wege, die zum Essen und Trinken oder dem Verrichten der Notdurft während der Arbeitszeit zurückgelegt werden, sind im Allgemeinen davon geprägt, dass sie regelmäßig unaufschiebbare notwendige Handlungen sind, um die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und es ihm damit mittelbar zu ermöglichen, die jeweils aktuelle betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Diese Wege stehen nach st. Rspr. in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ...