Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 414
Ein Kernelement des neuen Rechtes ist die Neufassung des Behindertenbegriffes: Ab dem 1.1.2018 definiert § 2 SGB IX den Begriff Menschen mit Behinderung neu. Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.
Weiterhin bestimmt § 2 Abs. 2 SGB IX, dass Menschen schwerbehindert sind, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i.S.d. § 73 SGB IX rechtmäßig in Deutschland haben. Im § 2 Abs. 3 SGB IX findet sich dann die Definition des einem schwerbehinderten Menschen Gleichgestellten.
Das durch Beschluss 2010/48/EG des Rates der EU v. 26.11.2009 genehmigte UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bezweckt, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. Um die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen sicher zu stellen, verpflichtet die allgemeine Gleichbehandlungs-Richtlinie 2000/78/EG insbesondere den Arbeitgeber, die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Menschen Zugang zur Beschäftigung, Ausübung eines Berufs, beruflichen Aufstieg und Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen.
Der Begriff "Behinderung" erfasst unter Heranziehung des UN-Übereinkommens eine insbesondere auf langfristige physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurück zu führende Einschränkung, die den Betroffenen in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den übrigen Arbeitnehmern hindern kann. Die Mitgliedstaaten der EU müssen die Arbeitgeber verpflichten, unter Berücksichtigung jedes Einzelfalls wirksame und praktikable Maßnahmen zu ergreifen. Dies gilt für die Gestaltung der Räumlichkeiten, Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus oder der Aufgabenverteilung. Diese Verpflichtung trifft alle Arbeitgeber (EuGH v. 4.7.2013 – C 312/11 Kommission/Italien).
Rz. 415
Damit hat das SGB IX ggü. dem SchwbG einen weitergezogenen Geltungsbereich. Die Regelungen des SGB IX sind nicht nur für schwerbehinderte Menschen von Bedeutung. § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX führt als unterstützungsbedürftige Gruppe, die "von Behinderung Bedrohten" ein. Auch die von der Behinderung bedrohten Menschen sollen Leistungen nach diesem SGB IX und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze erhalten, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken (§ 1 SGB IX).