Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 890
Mit dem Begriff Haftung des Arbeitnehmers ist die Fragestellung verbunden, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit Schäden zu ersetzen sind, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber, Arbeitskollegen oder auch sonstigen Personen, z.B. Kunden und Lieferanten des Arbeitgebers oder ganz allgemein Straßenverkehrsteilnehmern, durch eine Verhaltensweise zufügt, die gerade seiner Arbeitnehmerstellung zuzurechnen ist. Ausgangspunkt für die Haftung des Arbeitnehmers sind die allgemeinen Haftungsregeln des BGB, die jedoch aufgrund der besonderen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilweise erheblich zugunsten des Arbeitnehmers abgewandelt werden.
Rz. 891
Für eine Haftung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung, dass überhaupt eine Verhaltensweise vorliegt, die sich als Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt oder als Verletzung von Rechten, die nach § 823 BGB geschützt sind. Nach § 280 Abs. 1 BGB ist das Vorliegen einer Pflichtverletzung zentraler Anknüpfungspunkt für den Anspruch auf Schadensersatz.
Rz. 892
Abgrenzungsbeispiel zur Pflichtverletzung
Nachdem mehrere Verrechnungsschecks geplatzt sind, weist der Arbeitgeber die in seinem Baustofflager angestellten Verkäufer schriftlich an, Schecks zukünftig nur noch von "vertrauenswürdigen Personen" anzunehmen und sonst bei "nicht bekannten Kunden" auf Barzahlung zu bestehen. Der Kunde K bezieht von dem Angestellten A seit etwa 3 Monaten Baumaterialien. Den Kaufpreis von jeweils etwa 2.500,00 EUR bezahlt K stets bar. Bei einem erneuten Besuch (inzwischen beläuft sich der Gesamtwert der gekauften Baumaterialien auf etwa 15.000,00 EUR) kauft er Waren für 5.000,00 EUR. A akzeptiert einen Verrechnungsscheck, der nicht eingelöst wird. Der Arbeitgeber meint, A habe sich grob fahrlässig verhalten und möchte den Forderungsausfall von 5.000,00 EUR bei seinem Angestellten liquidieren.
Der Arbeitgeber kann von A keinen Schadensersatz verlangen. A hat weder grob fahrlässig noch leicht fahrlässig gehandelt. Er hat keine Pflichtverletzung begangen, sondern sich weisungskonform verhalten. Nachdem er K über einen längeren Zeitraum als Barzahler kennengelernt hatte, durfte er ihn i.S.d. freilich nicht sehr präzisen Anweisung als "vertrauenswürdige Person" bzw. "bekannten Kunden" ansehen und einen Verrechnungsscheck über 5.000,00 EUR akzeptieren. Das Bonitätsrisiko kann nicht auf ihn abgewälzt werden.
Rz. 893
Fraglich erscheint, ob eine für die Haftung im Innenverhältnis relevante Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, wenn leitende Angestellte, also solche Angestellten, die unternehmerische Entscheidungen treffen, wie sie etwa in § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG beschrieben sind, bei derartigen Entscheidungen einen Schaden verursachen. Für Vorstandsmitglieder von AG bestimmt § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: "Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." Die Übertragung dieser "Business Judgment Rule" auf die Situation leitender Angestellter, soweit sie unternehmerische Entscheidungen treffen, vertreten mit guten Gründen Bürkle/Fecker (NZA 2007, 589) und Möller
(NZA 2017, 1567). Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat, soweit ersichtlich, bislang noch nicht abschließend zu einer Haftungsprivilegierung leitender Angestellter Stellung genommen. Nach Auffassung des BGH greifen zugunsten leitender Angestellter, jedenfalls soweit sie nicht Geschäftsführer sind, Haftungsbeschränkungen ein (BGH v. 25.6.2001, NJW 2001, 3123).