Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1180
In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionsversuche zum Mobbing. Keine von diesen Begriffsbestimmungen ist eine abschließende Legaldefinition dessen, was Mobbing ist und welche Ausprägungen von ihr erfasst werden, bedingt durch die Fantasie des Mobbenden und der sich laufend verändernden Arbeitswelt.
Rz. 1181
Die von Leymann (Mobbing, S. 14 f.) aufgestellte arbeitswissenschaftlich geprägte Definition besagt, dass Mobbing eine konfliktbeladene Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden werden kann, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.
Rz. 1182
Das BAG unterbreitete bereits 1997 eine erste Definition (BAG v. 15.1.1997, BAGE 85, 56, 58). Danach ist Mobbing das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.
Rz. 1183
Das LAG Thüringen (v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 577; v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 347) entwickelte die begrifflichen Vorgaben des BAG fort. Danach werden als Mobbing im arbeitsrechtlichen Verständnis Verhaltensweisen erfasst, die in fortgesetzter, aufeinander aufbauend oder ineinander übergreifende Weise Anfeindungen, Schikane oder Diskriminierung dienen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen, verletzen. Dabei ist ein vorgefasster Plan nicht erforderlich. Eine Fortsetzung des Verhaltens unter schlichter Ausnutzung der Gelegenheiten ist ausreichend (ebenso Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 371). Das LAG Hamm (2.9.2011 – 7 Sa 724/11) sieht einen Mobbinganspruch nur gegeben, wenn Verhaltensweisen, die für sich gesehen den Boden rechtmäßigen Verhaltens nicht verlassen, in ihrer Gesamtschau zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führen, weil sie aufgrund der in ihnen liegenden Systematik und Zielrichtung in ihrer Zusammenfassung geschützte Rechtsgüter des Arbeitnehmers beeinträchtigen; eine Zusammenschau der für sich gesehen im Einzelnen noch rechtmäßigen Handlungen kann insb. dann eine Beeinträchtigung geschützter Rechte des Arbeitnehmers darstellen, wenn (wie es § 3 Abs. 3 AGG als Belästigung definiert) unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Das BAG griff dies auf. Erforderlich sind danach Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten, welche die Grenze zum rechts- bzw. sozialadäquaten Verhalten überschreiten und bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG v. 15.9.2016 – 8 AZR 351/15).
Rz. 1184
Danach kommen nur Angriffshandlungen in Betracht, die von Anfeindungs-, Schikane- oder Diskriminierungsvorsatz getragen sind. Eine diesem Vorsatz übergeordnete Zielsetzung, die für alle Handlungsbestandteile des Mobbinggeschehens bestimmend ist (Näheres bei Wickler, DB 2000, 481 Fn 44), wird zwar häufig vorliegen, sie ist nach der Rspr. des LAG Thüringen aber zur Feststellung der für eine Mobbingkonstellation charakteristischen Systemverbundenheit von Angriffshandlungen nicht zwingend erforderlich. Insofern reicht ein aufeinander aufbauender oder ineinander übergreifender Zusammenhang der mehreren Angriffshandlungen und ihre aus objektiver Sicht bestehende Förderlichkeit einer über den Vollzug von Anfeindungen, Schikanen und Diskriminierungen hinausgehenden einheitlichen Zielsetzung aus, wie z.B. die auf Dauer angelegte Erschwerung der Arbeitsbedingungen oder das Herausquälen des Mobbingopfers aus dem Beschäftigungsverhältnis. Letzteres ist auch sachgerecht, denn das Bestehen solcher Zielsetzungen wird durch die Feststellung fortgesetzter vorsätzlicher Schikanen, Diskriminierungen oder sonstiger feindlicher Angriffe, die über ein entsprechendes Förderlichkeitspotenzial verfügen, auf ein und dieselbe Person indiziert.