Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 817
Der Arbeitgeber kann gegen seinen Arbeitnehmer auf Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten klagen. Bei vertretbaren Arbeitsleistungen, bei denen es also für den Arbeitgeber unerheblich ist, ob sie der Arbeitnehmer oder ein Dritter erfüllt, kann der Arbeitgeber gem. § 887 ZPO vom Vollstreckungsgericht ermächtigt werden, einen Dritten auf Kosten des Arbeitnehmers mit der Erbringung der Leistung zu beauftragen.
Rz. 818
Aufgrund des Grundsatzes der persönlichen Arbeitsleistung gem. § 613 S. 1 BGB handelt es sich bei Arbeitspflicht jedoch grds. um eine unvertretbare Handlung (vgl. Rdn 181 ff.). Die Erbringung unvertretbarer Dienste kann nach § 888 ZPO nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. In diesen Fällen wird die geschuldete Verpflichtung in der Weise vollstreckt, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld oder durch Zwangshaft angehalten wird. Der Arbeitgeber kann eine Klage auf Erbringung der Arbeitsleistung mit einem Antrag auf Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG verbinden; die Höhe der Entschädigung ist entsprechend der vorstehenden Norm nach freiem Ermessen vom ArbG festzusetzen. Der Anspruch auf Erfüllung der Arbeitspflicht kann nach herrschender Meinung nicht mittels einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden (vgl. Arbeitspflicht, Rdn 184).
Rz. 819
Der Arbeitgeber ist in einem bestehenden Arbeitsverhältnis verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen (BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 = DB 1985, 2197). Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig (BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 186/14, juris; BAG v. 21.9.1993 – 9 AZR 335/91, juris). Der Beschäftigungsanspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG v. 9.4.2014 – 10 AZR 637/13, juris). Dies kann etwa der Fall sein beim Wegfall der Vertrauensgrundlage, bei Auftragsmangel, bei einem Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers (BAG v. 21.3.2018 -10 AZR 560/16, juris) oder bei einem demnächst zur Konkurrenz abwandernden Arbeitnehmer aus Gründen der Wahrung von Betriebsgeheimnissen (BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 = DB 1985, 2197). Die Freistellung lässt den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers unberührt (BAG v. 17.7.2013 – 9 AZR 50/12, juris). Eine einvernehmliche Freistellung ist zulässig, sofern sie individualvertraglich erfolgt (Bauer, NZA 2007, 409). Nach h.M. ist dagegen in einem vorformulierten Arbeitsvertrag eine Freistellungsklausel, die ohne weitere Vorbedingungen den Arbeitgeber für die Kündigungsfrist zur Freistellung des Arbeitnehmers berechtigt, unwirksam, da sie den Arbeitnehmer gemäß § 307 BGB unangemessen benachteiligt (so u.a. LAG Hamburg v. 24.7.2013 – 5 SaGa 1/13, juris; LAG Hessen v. 20.3.2013 – 18 SaGa 175/13, juris, a.A. LAG Rheinland-Pfalz v. 30.6.2005 – 12 Sa 99/05, juris).
Die Durchsetzung des Beschäftigungsanspruches erfolgt durch Leistungsklage (künftige Beschäftigung) bzw. Feststellungsklage (unterlassene Beschäftigung in der Vergangenheit; vgl. BAG v. 27.2.2002 – 9 AZR 562/00, NZA 2002, 1099 = BB 2002, 2018). Der Arbeitnehmer kann auch eine einstweilige Verfügung beantragen. Da mit der einstweiligen Verfügung auf tatsächliche Beschäftigung keine Sicherungsverfügung, sondern eine auf Befriedigung gerichtete Leistungsverfügung begehrt wird, sind an den Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. So ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer über die bloße, durch seine Nichtbeschäftigung verursachte Rechtsbeeinträchtigung hinaus ein ernsthaftes Bedürfnis an einer Eilentscheidung glaubhaft macht, z.B. die von tatsächlicher Beschäftigung abhängige Erlangung oder Sicherung einer beruflichen Qualifikation (LAG Hamm v. 13.2.2015 – 18 SaGa 1/15, juris; LAG Berlin-Brandenburg v. 16.3.2011 – 4 SaGa 2600/11, juris; LAG Düsseldorf v. 1.6.2005 – 12 Sa 352/05, MDR 2005, 1419; LAG Köln v. 20.4.1999 – 13 Ta 243/98, NZA-RR 2000, 311). Auf die Darlegung des besonderen Beschäftigungsinteresses kann nur dann verzichtet werden, wenn der Beschäftigungsanspruch unzweifelhaft besteht, da der Arbeitgeber kein Interesse an der Aufrechterhaltung eines ersichtlich rechtswidrigen Zustands haben kann (LAG Hamm v. 5.2.2021 – 12 SaGa 1/21).
Rz. 820
Die Erfüllung des Beschäftigungsanspruches kann der Arbeitnehmer nach § 888 Abs. 1 ZPO mittels eines Antrages auf Erlass eines Zwangsgeldes, ggf. auf Anordnung von Zwangshaft, vollstrecken (LAG Berlin v. 19.1.1978 – 9 Ra 1/78, BB 1979, 1404). Gegen das Beschäftigungsurteil kann der Arbeitgeber den Wegfall des Arbeitsplatzes durch Rationalisierungsmaßnahmen im Wege der Vollstreckungsgegenklage nur dann geltend machen, wenn dieser Einwand nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden ist und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann (§ 767 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Zweckmäßigerweise wird der Arbeitgeber in einem solchen Fall eine (erneute) Kündigung aussprechen. Sowohl während d...