Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 362
Ausnahmsweise unterliegen geringfügig Beschäftigte nicht der Versicherungspflicht. Das gilt im Krankenversicherungsrecht (§ 7 SGB V) uneingeschränkt, nicht dagegen im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Dort sind zunächst nur die geringfügig Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV (kurzzeitig Beschäftigte) nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei, die geringfügig Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (geldgeringfügig Beschäftigte) sind grundsätzlich rentenversicherungspflichtig, können sich nach § 6 Abs. 1b SGB VI von der Versicherungspflicht auf ihren Antrag befreien lassen.
Hinweis
Weitere detaillierte Regelungen ergeben sich aus den sog. Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenverbände der Sozialversicherung, die auf der Homepage der minijob-Zentrale www.minijob-zentrale.de heruntergeladen werden können.
aa) Geringfügige Beschäftigung als Geldgeringfügigkeit
Rz. 363
Wann eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus § 8 SGB IV. Nach dieser Vorschrift lag bis 30.9.2022 eine geringfügige Beschäftigung u.a. vor, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 450 EUR (ab 1.1.2013, vorher 400 EUR) nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV). Ab 1.10.2022 gilt nach § 8 Abs. 1a SGB IV eine dynamische Geringfügigkeitsgrenze, die sich am Mindestlohn orientiert. Sie beläuft sich auf 520 EUR (Stand: 1.10.2022).
bb) Geringfügige Beschäftigung als Zeitgeringfügigkeit
Rz. 364
Neben der geringfügigen Beschäftigung aufgrund der monatlichen Entgeltbegrenzung nach Abs. 1 Nr. 1 wird in Abs. 1 Nr. 2 eine geringfügige Beschäftigung auch anerkannt, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres seit ihrem Beginn auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage (bis 31.12.2018: zwei Monate oder 50 Arbeitstage), nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird (z.B. durch Arbeitslose – keine Berufsmäßigkeit wird angenommen bei Hausfrauen, Schülern und Studenten sowie Rentnern) und das Entgelt aus dieser Beschäftigung 450 EUR im Monat übersteigt. Nicht vorausgesetzt ist, dass die Tätigkeit an weniger als fünf Tagen in der Woche ausgeübt wird (BSG v. 24.11.2020 – B 12 KR 34/19 R).
Rz. 365
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ist gegenwärtig von wesentlich größerer Bedeutung als die Geringfügigkeitsregelung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Zwar hat der Arbeitnehmer in beiden Fällen keine Beiträge zu entrichten, der Arbeitgeber hat bei der Entgeltgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV allerdings im ungünstigsten Fall 30 % Sozialbeiträge (15 % Renten-, 13 % Krankenversicherungsbeitrag und 2 % Pauschsteuer) abzuführen, im Fall der Zeitgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV hat er dagegen keine Sozialabgaben zu entrichten.
Rz. 366
Der große Vorteil der Fälle der Zeitgeringfügigkeit liegt darin, dass weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer Beiträge zu entrichten haben und der Arbeitnehmer mehr verdienen kann als den in Nr. 1 vorgesehenen Betrag.
cc) Berufsmäßigkeit der geringfügigen Beschäftigung
Rz. 367
Arbeitnehmer können nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV mehr verdienen, wenn sie nicht berufsmäßig in der geringfügigen Beschäftigung tätig sind. Der Begriff der Berufsmäßigkeit in diesem Zusammenhang ist nicht einfach zu verstehen.
Achtung: Das BSG hat in seiner Entscheidung v 31.3.2017 – B 12 KR 16/14 R darauf hingewiesen, dass bei der Bestimmung des Umfangs beitragspflichtiger Einnahmen von unständig Beschäftigten nach § 163 Abs. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Berufsmäßigkeit ihrer Tätigkeit nicht zu fordern ist.
Rz. 368
Das BSG hat in einer Entscheidung v. 6.4.2006 (NZS 2006, 605) dargelegt, dass eine berufsmäßige Beschäftigung bei Schülern im Übergang zum Studium oder zum Wehrdienst anzunehmen ist und die Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung der Beschäftigung für den Antragsteller auch einen längeren Zeitraum erfordert (s.a. BSG, SozR 2200 § 168 Nr. 5). Maßgebend sei danach, ob ein Beschäftigter nach Beendigung einer kurzfristigen Beschäftigung beabsichtige, weitere Beschäftigungen als Arbeitnehmer aufzunehmen. Es kommt danach darauf an, ob ein Kläger bei einer längerfristigen Betrachtungsweise beabsichtigt, Beschäftigungen aufzunehmen bzw. aufrechtzuerhalten.
Rz. 369
In einem Urt. v. 25.4.1991 (BB 1992, 497) hat das BSG ausgeführt, dass die im Anschluss an eine versicherungspflichtige Ausbildung verrichtete befristete Tätigkeit eines Studienplatzbewerbers berufsmäßig ausgeübt werde, wenn dieser im erlernten Beruf zum vollen Lohn und mit der vollen üblichen Arbeitszeit beschäftigt sei. Es führt weiter aus, dass eine zeitlich befristete Beschäftigung auch dann als berufsmäßig anzusehen sei, wenn der Betreffende durch sie seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang erwerbe, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Beschäftigung beruhe. In dem vorliegenden Fall hatte der Kläger, der eine Lehre erfolgreich durchlaufen hatte, zum Stundenentgelt eines Facharbeiters für die Zeit vom 9.7.-7.9.1984 vollschichtig gearbeitet.
Rz. 370
Das BSG weist in dieser Entscheidung darauf hin, dass es in ...