Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1317
Die finanzielle Absicherung der Arbeitnehmerin in den Schutzfristen vor und nach der Entbindung (s. unter Rdn 1288) und für den Entbindungstag selbst obliegt nach der gesetzlichen Konzeption des MuSchG in der Theorie primär nicht dem Arbeitgeber, sondern i.w.S. den Sozialversicherungsträgern, die nach Maßgabe der in §§ 19, 20 MuSchG getroffenen Regelungen auf Antrag das Mutterschaftsgeld zu zahlen haben.
Rz. 1318
Dem Arbeitgeber ist in § 20 MuSchG allerdings auferlegt, während dieser Schutzfristen und für den Entbindungstag einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zu zahlen. Diese Verpflichtung ist als solche nach der Rspr. des BVerfG mit dem Grundgesetz vereinbar. Insb. soll sich aus Art. 6 Abs. 4 GG keine Pflicht des Staats ergeben, die Kosten des Mutterschutzes allein zu tragen (BVerfG v. 18.11.2003, NZA 2004, 33 = DB 2003, 2788).
Rz. 1319
Der Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld hängt nicht davon ab, ob tatsächlich Mutterschaftsgeld durch die Krankenkasse gezahlt worden ist, sondern nur davon, ob ein sozialrechtlicher Anspruch auf Zahlung des Mutterschaftsgeldes besteht (BAG v. 25.2.2004, NZA 2004, 537 = DB 2004, 1212). In § 19 Abs. 2 MuSchG ist zugunsten privatversicherter Frauen bzw. nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherter Frau ein Zuschuss des Bundes vorgesehen.
Rz. 1320
Gem. § 200 Abs. 1 RVO ist der Anspruch auf Mutterschaftsgeld davon abhängig, dass wegen der Schutzfristen des MuSchG kein Arbeitsentgelt gezahlt wird. Dem Anspruch steht es nicht entgegen, wenn das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Schutzfrist MuSchG wegen eines vereinbarten Sonderurlaubes geruht hat, die Hauptleistungspflichten zu diesem Zeitpunkt also suspendiert waren. In diesem Fall ist der Anspruch auf Mutterschaftsgeld nicht für den gesamten Zeitraum der Schutzfrist, sondern nur bis zur vereinbarten Beendigung des unbezahlten Sonderurlaubes ausgeschlossen (BAG v. 25.2.2004, DB 2004, 1212 = NZA 2004, 537). Entsprechend besteht mit Beendigung des Sonderurlaubes dann auch der Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gem. § 19 Abs. 1 MuSchG.
Rz. 1321
Die Zuschusshöhe errechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem kalendertäglichen Höchstbetrag des Mutterschaftsgeldes von 13,00 EUR und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt, also der kalendertäglichen Nettovergütung (§ 20 Abs. 1 S. 2 MuSchG).
Rz. 1322
Wie beim Mutterschutzlohn ist auch für die Ermittlung des durchschnittlichen kalendertäglichen Nettoentgeltes auf die letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der vorgeburtlichen Schutzfrist zurückzugreifen (§ 20 Abs. 1 S. 2, 3 MuSchG). Der Begriff des durchschnittlichen Arbeitsentgelts ist nunmehr in § 21 MuSchG definiert.
Rz. 1323
Da es für die Berechnung des Zuschusses auf die Ermittlung des Durchschnittsverdienstes ankommt, bestimmt § 21 Abs. 2 MuSchG konsequenterweise, dass solche Zahlungen oder Lohnausfälle, die dieses Bild verfälschen würden, also Einmalzahlungen z.B. zusätzliches Urlaubsgeld sowie Verdienstausfälle bei Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis außer Betracht bleiben. Für die Einbeziehung von Provisionsansprüchen in die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld kommt es nicht darauf an, ob der Provisionsanspruch gem. § 87a Abs. 4, § 87c Abs. 1 HGB während des Berechnungszeitraums fällig oder abgerechnet wurde; entscheidend ist vielmehr, ob ein Provisionsanspruch in dem Berechnungszeitraum dadurch i.S.d. § 87 Abs. 1 S. 1 HGB aufschiebend bedingt entstanden ist, dass es aufgrund der Tätigkeiten der Arbeitnehmerin zu einem Geschäftsabschluss gekommen ist (BAG v. 14.12.2011, DB 2012, 864). Bei Entgelt, das für längerfristige Zeiträume als einen Kalendermonat zugesagt worden ist, ist anzunehmen, dass es in den einzelnen Monaten des Bezugszeitraumes anteilig verdient wird (hierzu BAG v. 14.12.2011, DB 2012, 864). Fallen solche Leistungszeiträume mit dem Berechnungszeitraum gem. § 20 Abs. 1 S. 2 MuSchG zusammen, so ist das Entgelt entsprechend pro rata temporis in die Berechnung des Durchschnittsverdienstes einzubeziehen. Falls nach den gesetzlichen Berechnungsregeln das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt nicht ermittelt werden kann, ist letztlich auf das einer gleichartig beschäftigten Arbeitnehmerin zurückzugreifen (§ 21 Abs. 3 MuSchG).
Rz. 1324
Bei Streitigkeiten über die Höhe des Zuschusses haben sich die Gerichte für Arbeitssachen immer wieder mit der Frage auseinanderzusetzen, ob durch die Wahl einer "günstigeren" Steuerklassenkombination oder den Eintrag steuerlicher Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte der vom Arbeitgeber zu zahlende Zuschuss zulässigerweise zu dessen Lasten erhöht werden darf. Zu Recht hat das BAG bereits in seinem Urt. v. 22.10.1986 (DB 1987, 944 = NZA 1987, 703) entschieden, dass eine anspruchsberechtigte Frau rechtsmissbräuchlich handelt, wenn sie durch Änderung von steuerlichen Merkmalen (Steuerklasse, Fre...