aa) Pflicht bis zum rechtlichen Ende

 

Rz. 1811

Die Verschwiegenheitspflicht besteht bis zur rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses (vgl. Schaub/Linck, ArbR-HdB, § 53 Rn 47; BAG v. 16.8.1990, DB 1991, 1682 = NZA 1991, 141; BAG v. 6.8.1987, DB 1988, 451 = NJW 1988, 438). Entscheidend ist nicht das tatsächliche Ende des Anstellungsverhältnisses, sondern ausschließlich das rechtliche Ende. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter auch nach einer etwaigen Freistellung unverändert verpflichtet sind, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren (s. zu nachvertraglichen Verschwiegenheitspflichten oben § 17 Rdn 674 ff., und zur nachvertraglichen Treuepflicht, § 33 Rdn 1 ff.).

bb) Lebenslange Pflicht – Catch-All-Klauseln

 

Rz. 1812

Sog. Catch-All-Klauseln, die den Arbeitnehmer bis an sein Lebensende verpflichten sollen, jedwede im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses erlangte Information, im Entscheidungsfall sogar nicht einmal eingeschränkt auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sondern auf sämtliche im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangte Angelegenheiten und Vorgänge, uneingeschränkt geheim zu halten, sind gem. § 138 BGB bzw. §§ 310 und 307 BGB unwirksam (vgl. ArbG Aachen v. 13.1.2022 – 8 Ca 1229/20, juris Ls. 1 und Rn 90/91; LAG Köln v. 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19, juris Rn 18 unter Bezug auf Vetter/Lehmann, DB 2019, 2507 und Holthausen, NZA 2019, 1377). Ähnlich entschied zuvor das LAG Rheinland-Pfalz. Eine Verschwiegenheitsvereinbarung, die sich auf alle "betriebsinternen Vorgänge" bzw. "Betriebsinterna" erstreckt (sog. "All-Klauseln" bzw. "Catch-All"-Klauseln), kann wegen einer dadurch bewirkten übermäßigen Vertragsbindung als Einzelabrede nach § 138 BGB insgesamt nichtig bzw. als Formularklausel im Arbeitsvertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein (vgl. ausführlich Hauck, GRUR 2022, 530, 535). Die Reichweite einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht bedarf im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG einer verfassungskonformen Auslegung, nach der nur Äußerungen über solche betriebsinternen Vorgänge bzw. Betriebsinterna untersagt sind, an deren Geheimhaltung das Unternehmen ein berechtigtes Interesse hat (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 21.2.2013 – 2 Sa 386/12 Äußerung in einem Diskussionsforum bei Facebook).

→ s. im Einzelnen zur nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht § 17 Rdn 674 ff.

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