Rz. 108

Der Arbeitgeber ist zum Schutz seiner Mitarbeiter gegen die Gefahren des Alkoholkonsums zu mehrfachem Handeln aufgefordert.

aa) Vorbeugende Maßnahmen

 

Rz. 109

Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner vertraglichen Fürsorgepflicht gehalten, den einzelnen Arbeitnehmer wie die Belegschaft insgesamt in den Grenzen seiner betrieblichen Möglichkeiten vor den Gefahren und Schäden durch Alkohol zu bewahren (vgl. Künzl, BB 1993, 1581, 1584). Dieser Verpflichtung kann der Arbeitgeber insb. nachkommen durch

immer wieder erfolgende Aufklärung über die durch Alkoholgenuss erhöhten Unfallgefahren und die Unfallverhütungsvorschriften;
Zurverfügungstellung alkoholfreier Getränke am Arbeitsplatz;
Abschluss einer Betriebsvereinbarung über ein generelles Alkoholverbot (bzw. in betriebsratslosen Betrieben durch einzelvertragliches Alkoholverbot);

konsequente Überwachung der Einhaltung des Alkoholverbots.

bb) Maßnahmen bei Feststellung einer Alkoholisierung

 

Rz. 110

Wegen der von der Alkoholisierung ausgehenden Gefahr für den alkoholisierten Mitarbeiter selbst, seine Arbeitskollegen und zum Schutz der betrieblichen Anlagen und Erzeugnisse ist einem betrunken zur Arbeit erscheinenden Mitarbeiter der Zutritt zum Arbeitsplatz zu verweigern. Wird ein Mitarbeiter erkennbar betrunken am Arbeitsplatz angetroffen, ist er unverzüglich von dem Arbeitsplatz zu entfernen. Das folgt auch aus den von der Berufsgenossenschaft herausgegebenen Unfallverhütungsvorschriften. Nach § 7 Abs. 2 BGV A1 darf der Unternehmer Versicherte nicht beschäftigen, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen.

 

Rz. 111

Entsprechend dem Alkoholisierungsgrad des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber sofern nicht im Betrieb die räumlichen und organisatorischen Möglichkeiten der Ausnüchterung (z.B. durch eine Sanitätsstation) gegeben sind und die Ausnüchterung des Arbeitnehmers und damit die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit während der Arbeitszeit zu erwarten ist, dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer sicher zu seiner Wohnung gelangt. Dies kann geschehen durch

Heimfahren des Arbeitnehmers durch einen anderen Mitarbeiter,
Bestellen eines Taxis,
Benachrichtigung Angehöriger.
 

Rz. 112

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet es weiterhin, den alkoholisierten Arbeitnehmer an der Heimfahrt mit seinem eigenen Pkw oder auch nur eines Fahrrades zu hindern. Bei schwerer Trunkenheit des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber ggf. die Einlieferung ins Krankenhaus zu veranlassen.

 

Rz. 113

Sofern der Arbeitgeber diesen Fürsorgepflichten nicht nachkommt, kann er sich ggf. selbst strafrechtlich verantwortlich machen (z.B. Aussetzung gem. § 221 StGB, fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB, fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB).

 

Rz. 114

Aufseiten des Arbeitgebers durch den Heimtransport des alkoholisierten Mitarbeiters entstehende Kosten kann der Arbeitgeber dem alkoholisierten Arbeitnehmer in Rechnung stellen (Aufwendungsersatz gem. § 683 BGB, Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB).

cc) Feststellung der Alkoholisierung

 

Rz. 115

Da der Arbeitgeber im Streitfall, z.B. bei der Kürzung des Entgeltes infolge der Alkoholisierung, die Trunkenheit des Arbeitnehmers darlegen und beweisen muss (BAG v. 1.6.1983, BB 1983, 1097), kommt der Feststellung der Alkoholisierung eine besondere Bedeutung zu. Eine objektive Feststellung der Alkoholisierung (z.B. durch Atemmessgeräte oder Blutprobe durch einen Werksarzt) kommt aber nur im Fall des Einverständnisses des betroffenen Mitarbeiters in Betracht. In der Praxis bleibt daher meist nur eine Feststellung der Alkoholisierung anhand von Indizien (Alkoholgeruch, lallende Sprache, schwankender Gang, auffällige Verhaltensänderungen wie Aggressivität gegen Mitarbeiter und Vorgesetzte, Teilnahmslosigkeit). Bei der Feststellung derartiger Indizien können und sollten Zeugen (insb. Betriebsratsmitglieder) hinzugezogen werden (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 28.11.1988, DB 1989, 630).

dd) Arbeitsrechtliche Konsequenzen des Alkoholmissbrauchs

 

Rz. 116

Für den Mitarbeiter kann die Alkoholisierung während der Arbeit in mehrfacher Weise Konsequenzen haben:

 

Rz. 117

Minderung des Entgelts

Der Mitarbeiter verliert für die Zeit, in der er alkoholbedingt seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, seinen Entgeltanspruch (LAG Schleswig-Holstein v. 28.11.1988, DB 1989, 630).

 

Rz. 118

Ausschluss der Entgeltfortzahlung

Erleidet ein Arbeitnehmer alkoholbedingt einen Unfall (Verkehrsunfall bei Trunkenheitsfahrt, Sturz), in dessen Folge er arbeitsunfähig krank ist, können Entgeltfortzahlungsansprüche nach § 3 Abs. 1 EFZG ausgeschlossen sein, soweit der Unfall selbst verschuldet war. Ein derartiges Verschulden ist zu bejahen, wenn der Unfall durch Alkoholmissbrauch herbeigeführt worden ist, ohne dass eine andere Ursache dabei mitgewirkt hat.

 

Rz. 119

Das Entstehen einer Arbeitsunfähigkeit ist als solches nicht verschuldet i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Auch bei einem Rückfall nach einer erfolgreich durchgeführten Therapie wird es regelmäßig an einem Verschulden in diesem Sinne fehlen (vgl. BAG v. 18.3.2015 – 10 AZR 98/14).

 

Rz. 120

Abmahnung

Alkoholbedingte Schlecht- oder Minderleistung sowie d...

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