Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
aa) Allgemeines
Rz. 1592
§ 111 SGB III löst mit dem neuen Instrument des Transfer-Kug als Transferleistung die Sonderform des strukturellen Kug in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (§ 175 SGB III) ab, wobei die bislang bei § 175 SGB III bestehenden Fehlanreize zur Frühverrentung auf Kosten der Beitragszahler abgeschafft und gleichzeitig die aktivierenden Elemente, insb. durch das Profiling in Abs. 4 und den Qualifizierungs- und Vermittlungsbeitrag des Arbeitgebers in Abs. 7, gestärkt werden sollten. Beim Transfer-Kug handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltersatzleistung, der wie beim Kug nur durch den Arbeitgeber oder Betriebsrat geltend gemacht werden kann. Transfer-Kug stellt sich als Sonderform des Kug (§§ 95 ff. SGB III) zur sozialen Abfederung betrieblicher Restrukturierungsprozesse (BT-Drucks 15/1515, 92) dar.
Verpflichtet sich die Transfergesellschaft, an die Arbeitnehmer zur Aufstockung des Transferkurzarbeitergelds Entgelt i.S.v. § 106 Abs. 2 S. 2 SGB III zu zahlen, ist aufgrund der gleichgerichteten Funktion von Transferkurzarbeitergeld und Aufstockungsleistung regelmäßig von einem Zuschuss zum Nettoentgelt auszugehen. Das Transferkurzarbeitergeld ist eine beitragsfinanzierte Entgeltersatzleistung für den durch den Arbeitsausfall erlittenen Nettoentgeltverlust. Seine Funktion besteht in der Überbrückung des arbeitsausfallbedingten Nettoentgeltausfalls. Dem entsprechend wird die Höhe des Transferkurzarbeitergelds durch den Leistungssatz und die Nettoentgeltdifferenz als berücksichtigungsfähiger Entgeltausfall bestimmt (BAG v. 16.12.2015 – 5 AZR 567/14, BAGE 154, 8–19). Das Transferkurzarbeitergeld gleicht den durch Arbeitsausfall erlittenen Nettoentgeltverlust nicht vollständig aus, sondern nur in prozentualer Höhe nach Maßgabe des Leistungssatzes, § 111 Abs. 10 SGB III, § 105 SGB III.
Dabei sollen die Aufstockungsleistungen die arbeitsausfallbedingte Nettoentgeltdifferenz verringern. Vorbehaltlich einer abweichenden Zusage dient das mit der Transfergesellschaft vereinbarte Bruttoentgelt im Hinblick auf die Aufstockungsleistung – ebenso wie für das Transferkurzarbeitergeld – lediglich als Bezugsbasis (BAG, a.a.O.).
bb) Voraussetzungen
Rz. 1593
Einen Anspruch auf Transfer-Kug haben nur Arbeitnehmer. Selbstständig Tätige haben keinen Anspruch.
Rz. 1594
Die Mitarbeiter müssen von einem Arbeitsausfall betroffen sein, der
Rz. 1595
Es müssen die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sein (§ 111 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 SGB III).
Diese sind erfüllt, wenn in einem Betrieb Personalanpassungsmaßnahmen aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt werden und
die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Eingliederungschancen in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) zusammengefasst werden.
Rz. 1596
Es müssen die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sein (§ 111 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 SGB III).
Diese sind erfüllt, wenn der Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht ist (s. hierzu auch die Legaldefinition in § 17 SGB III),
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er nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt oder nach einem Berufsausbildungsverhältnis eine solche Beschäftigung aufnimmt, |
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er nicht vom Bezug des Kug ausgeschlossen ist (s. hierzu §§ 98, 111 Abs. 7 SGB III) und |
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er vor sich vor Überleitung in eine "beE" bei der Agentur für Arbeit gemeldet und an einem "Profiling" teilgenommen hat sowie – ggf. – im Fall der Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Kug Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall besteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde. |
Rz. 1597
Außerdem muss der Arbeitsausfall angezeigt (Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 6 und § 99 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 SGB III) und ein Antrag gestellt werden (s. hierzu § 323 Abs. 2 SGB III und bzgl. einer Ausschlussfrist § 325 Abs. 3 SGB III).
Rz. 1598
Häufig wird als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Wirksamkeit der Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber gefordert.