Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 258
Das PflegeZG und das FPfZG gewähren wie bei der Elternzeit einen umfassenden Freistellungs- und Teilzeitanspruch, um ambulante Pflege im Kontext demografischer Herausforderungen insb. der Pflegeversicherung zu fördern.
Rz. 259
Für Eltern, die wegen einer Quarantäneanordnung gegen ihr Kind ihre Berufstätigkeit einschränken müssen und Verdienstausfall erleiden, haben nach § 56 Abs. 1 a IfSG einen Ersatzanspruch gegen den Staat. Diese Regelung gilt nicht für erwachsene Angehörige, die sonst eine Tagespflegeeinrichtung besuchen, welche pandemiebedingt geschlossen wurde oder wo die Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt werden müssen.
Rz. 260
Das PflegeZG basiert auf zwei Säulen: Bei einer akut aufgetretenen Pflegesituation erhalten Beschäftigte nach § 2 PflegeZG das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Zudem kann der zwischen einer teilweisen und vollständigen Freistellung für eine Pflegezeit von bis zu sechs Monaten wählen, um einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen (§§ 3, 4 Abs. 1 PflegeZG). Zum Schutz des Beschäftigten ist in § 5 PflegeZG ein besonderer Kündigungsschutz vorgesehen.
Rz. 261
Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 PflegeZG sind Arbeitnehmer und zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte (i.S.d. § 26 BBiG, z.B. Volontäre und Praktikanten) und arbeitnehmerähnliche Personen. Das PflegZG erfasst schließlich auch die in Heimarbeit Beschäftigten und diesen Gleichgestellte (§ 1 HAG). Zu den nahen Angehörigen zählen nach § 7 Abs. 3 PflegeZG neben Eltern, Großeltern, Stiefeltern und Schwiegereltern (Nr. 1) die Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner (Nr. 2), Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder und Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners sowie Schwiegerkinder und Enkelkinder (Nr. 3). Nicht genannt sind weiterhin Onkel, Tanten, Nichten und Neffen.
Rz. 262
Liegt eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung (bis zu zehn Tagen) vor, um für einen nahen Angehörigen aufgrund einer akut/unerwartet auftretenden Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung für diese Zeit sicherzustellen, besteht nach § 2 PflegeZG ein Leistungsverweigerungsrecht (als besondere Ausgestaltung der Unzumutbarkeitsregelung des § 275 Abs. 3 BGB). Nicht geklärt ist, ob Teilzeitbeschäftigte, die an weniger als fünf Tagen in der Woche arbeiten, einen Freistellungsanspruch von maximal zehn Arbeitstagen haben und damit die zweiwöchige Höchstdauer überschreiten könnten (Karb, öAT 2016, 248 spricht sich für eine anteilig gekürzte (Höchst-)Zahl von Freistellungstagen aus). Eine Pflegesituation ist auch anzunehmen, wenn die Pflegekraft unvorhergesehen vorübergehend ausfällt und eine andere Versorgung nicht möglich ist. Nach § 7 Abs. 4 S. 2 PflegeZG genügt bereits eine voraussichtlich zu erwartende Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 SGB XI. Auch ist es möglich, dass eine akute Pflegebedürftigkeit für mehrere Personen nacheinander besteht, während ein "Akutfall" nur regelmäßig einmal pro Pflegefall auftreten wird (BR-Drucks 718/07, 220). Das Fernbleiben von der Arbeit muss zudem (objektiv) erforderlich sein (Nomos-BR/Böhm PflegeZG/Annett Böhm PflegeZG § 7 Rn 16).
Rz. 263
Auf die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis zu 20 Arbeitstagen pro Akutfall und weiteren Erleichterungen – wenn die akute Pflegesituation aufgrund der COVID-19-Pandemie aufgetreten ist – wird wegen der Befristung bis zum 30.6.2021 nicht weiter eingegangen.
Rz. 264
Den Beschäftigten trifft eine unverzügliche Anzeige- und ggf. Nachweispflicht gem. § 2 Abs. 1 PflegeZG über die Verhinderung der Arbeitsleistung, deren voraussichtliche Dauer sowie dem Verhinderungsgrund. Dem Arbeitgeber ist auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des (namentlich benannten) nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der genannten Maßnahmen vorzulegen. Die Art und Ursache der Pflegebedürftigkeit müssen aus dieser Bescheinigung nicht hervorgehen. Es genügt bereits Pflegegrad 1. Eine Pflichtverletzung bei der Anzeige- und Nachweispflicht schlägt nicht auf das Leistungsverweigerungsrecht durch, kann aber Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers auslösen (§ 280 BGB) und diesen – nach vorheriger Abmahnung – zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigen. Erst mit Zugang der Anzeige der Arbeitsverhinderung genießt der Beschäftigte den Sonderkündigungsschutz nach § 5 PflegeZG.
Rz. 265
Liegt eine langfristige Arbeitsverhinderung bedingt durch Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (eigener Haushalt oder anderer Haushalt, in dem der Pflegebedürftige aufgenommen wurde) vor, hat der Beschäftigte nach § 3 Abs. 1 S. 1 PflegeZG einen Anspru...