Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
aa) Wesen und Arten von freien Erfindungen
Rz. 746
Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Arten von freien Erfindungen: Geborene freie Erfindungen sind solche Erfindungen, die von Anfang an dem Inanspruchnahmerecht des Arbeitgebers nicht unterliegen, weil sie weder aus der Arbeit des Arbeitnehmers im Betrieb hervorgegangen sind noch auf dem betrieblichen Erfahrungsschatz beruhen, mithin keine Diensterfindungen sind (§ 4 Abs. 3 ArbnErfG).
Rz. 747
Frei gewordene Erfindungen sind solche Erfindungen des Arbeitnehmers, deren Inanspruchnahme als Diensterfindungen der Arbeitgeber ablehnt. Mit Umsetzung des Patentrechtsmodernisierungsgesetzes wird eine Diensterfindung gem. § 8 ArbnErfG nur dann frei, wenn der Arbeitgeber die Diensterfindung "durch Erklärung in Textform" ausdrücklich freigibt. Die Freigabe ist nach § 6 Abs. 1 ArbnErfG jedem Miterfinder ggü. form- und fristgerecht zu erklären. Einer frei gewordenen Erfindung ist die nach § 16 ArbnErfG durch den Arbeitgeber später aufgegebene Diensterfindung gleichzustellen.
bb) Meldepflicht
Rz. 748
Nach § 18 Abs. 1 S. 1 ArbnErfG muss der Arbeitnehmer, der während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eine freie Erfindung macht, diese dem Arbeitgeber unverzüglich schriftlich mitteilen, wobei auch hier eine "Erklärung in Textform" ausreicht. Dieser Mitteilungspflicht unterliegen allerdings lediglich sog. geborene Erfindungen i.S.d. § 4 Abs. 3 ArbnErfG, nicht jedoch frei gewordene bzw. später aufgegebene Erfindungen.
Rz. 749
Bestreitet der Arbeitgeber nicht innerhalb von einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Zugang der Mitteilung durch eine an den Arbeitnehmer gerichtete schriftliche Erklärung, dass die ihm mitgeteilte Erfindung frei sei, kann er die Erfindung nicht mehr als Diensterfindung in Anspruch nehmen (§ 18 Abs. 2 ArbnErfG).
cc) Anbietungspflicht
Rz. 750
Als Konkretisierung der jedem Arbeitsverhältnis innewohnenden Treuepflicht des Arbeitnehmers bestimmt § 19 Abs. 1 ArbnErfG, dass der Arbeitnehmer eine freie, aber betriebsbezogene Erfindung zuerst seinem Arbeitgeber anbietet, bevor er sie anderweitig verwertet. Bei diesem Vorrecht des Arbeitgebers handelt es sich allerdings um kein Vorkaufsrecht i.S.d. §§ 463 ff. BGB (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, § 19 Rn 10).
dd) Verwertungsrechte
Rz. 751
Von Anfang an freie Erfindungen sind für den Arbeitnehmer frei verwertbar, sodass er unbeschränkt über sie verfügen kann, wenn er zuvor seiner Mitteilungs- und Anbietungspflicht ggü. seinem Arbeitgeber Genüge getan hat (§ 4 Abs. 3 i.V.m. §§ 18 und 19 ArbnErfG). Eine einzige Schranke findet dieses an sich freie Verwertungsrecht darin, dass der Arbeitnehmer mit der Selbstverwertung seiner Erfindung nicht in Konkurrenz zu seinem eigenen Arbeitgeber treten darf. Diese Schranke besteht aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht und dem sich hieraus ergebenden Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers.
Rz. 752
An frei gewordenen oder vom Arbeitgeber frei gegebenen Erfindungen besteht für den Arbeitnehmer ein freies Verwertungsrecht ohne die Beschränkungen der §§ 18 und 19 ArbnErfG.
Rz. 753
Benutzt der Arbeitgeber die frei gewordene Erfindung mit Einverständnis des Arbeitnehmererfinders, kann diesem ein nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu bemessender Bereicherungsanspruch zustehen (BGH v. 18.5.2010 – X ZR 79/07, GRUR 2010, 817 – Steuervorrichtung).