Rz. 1359

Liegt eine langfristige Arbeitsverhinderung bedingt durch Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (eigener Haushalt oder anderer Haushalt, in dem der Pflegebedürftige aufgenommen wurde) vor, hat der Beschäftigte nach § 3 Abs. 1 S. 1 PflegeZG einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung für jeden pflegebedürftigen Familienangehörigen. Die teilweise Freistellung kann unter Verringerung der regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit als auch durch Freistellung an einzelnen Arbeitstagen der Woche erfolgen. Wenn nur teilweise Freistellung in Anspruch genommen wird, haben Arbeitgeber und Beschäftigte über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Hierbei hat der Arbeitgeber den Wünschen der Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen (vgl. § 3 Abs. 4 PflegeZG). Lehnt der Arbeitgeber die teilweise Freistellung aus betrieblichen Gründen ab, ist eine gerichtliche Klärung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Abgabe der arbeitgeberseitigen Zustimmung anzuraten.

 

Rz. 1360

Der Anspruch auf Pflegezeit besteht ggü. Arbeitgebern (nicht Betrieben), die mehr als 15 Beschäftigte beschäftigen (§ 3 Abs. 1 S. 2 PflegeZG). Das PflegeZG sieht hier in § 3 Abs. 1 S. 2 PflegeZG einen eigenen Schwellenwert vor: Der Anspruch auf Pflegezeit besteht nicht ggü. Arbeitgebern mit i.d.R. 15 oder weniger Beschäftigten. Die Anzahl der Beschäftigten wird nach "Köpfen" und nicht nach dem Umfang der Tätigkeit berechnet. Es sind also auch Teilzeitbeschäftigte und zur Berufsbildung bzw. Berufsausbildung Beschäftigte (voll) mitzuzählen. Durch den in § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG verwendeten Beschäftigungsbegriff sind hierunter sogar arbeitnehmerähnliche Personen zu fassen.

 

Rz. 1361

Eine Mindestbeschäftigungsdauer ist nicht erforderlich. Die Pflegezeit beträgt max. sechs Monate und ist dem Arbeitgeber mindestens zehn Tage vor deren Beginn unter Angabe, wie lange die Pflegezeit genommen wird schriftlich anzukündigen (§ 3 Abs. 3 PflegeZG). Ebenso wie die kurzfristige Arbeitsverhinderung kann die Pflegezeit ggf. bereits nach der zehntägigen Ankündigungsfrist ab dem 1. Arbeitsvertrag des Beschäftigungsverhältnisses in Anspruch genommen werden.

 

Rz. 1362

Die Pflegezeit kann gem. § 3 Abs. 1 S. 1 PflegeZG max. sechs Monate für jeden nahen Angehörigen beansprucht werden (Höchstdauer). Die in § 7 Abs. 3 PflegeZG genannten 15 Typen der nahen Angehörigen ermöglicht eine Ausweitung der "Höchstdauer" für jeden pflegebedürftigen Angehörigen, der mindestens in die Pflegestufe 1 eingestuft wird oder aber dessen Pflegebedürftigkeit "wahrscheinlich" wird. Mangels einer "Konkurrenzregelung" fehlt es bei der langfristigen Arbeitsverhinderung an dem, in § 2 PflegeZG für die kurzfristige Arbeitsverhinderung jedoch enthaltenen, objektiven "Erforderlichkeitsmerkmal", dass mehrere verwandtschaftlich verbundene Familienmitglieder für die gleiche zu pflegende Person Pflegezeit beanspruchen (vgl. Preis/Weber, NZA 2008, 82, 84).

 

Rz. 1363

Auf eine Abkürzung der ursprünglich in Anspruch genommenen Pflegezeit besteht kein Anspruch (§ 4 Abs. 2 S. 3 PflegeZG), sie kann aber einvernehmlich vereinbart werden. Die Pflegezeit endet jedoch mit der nicht mehr vorhandenen Pflegebedürftigkeit des Angehörigen. Sie endet ferner vier Wochen nach Eintritt von veränderten Umständen, wenn die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist (§ 4 Abs. 2 PflegeZG), z.B. wegen eines erforderlichen stationären Aufenthaltes oder aber weil der Beschäftigte auf die regelmäßige Arbeitsvergütung finanziell angewiesen ist. Der Arbeitgeber ist über die veränderten Umstände unverzüglich zu unterrichten. Die verspätete Unterrichtung des Arbeitgebers kann u.U. Schadensersatzansprüche begründen, z.B. weil dieser die eingestellte Ersatzkraft nicht rechtzeitig kündigen kann.

 

Rz. 1364

Für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommene Pflegezeit kann bis zur Höchstdauer verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Eine Verlängerung bis zur Höchstdauer kann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann (§ 4 Abs. 1 S. 2 und 3 PflegeZG).

 

Rz. 1365

 

Beispiel

Die vom Beschäftigten in Anspruch genommene Pflegezeit von drei Monaten kann verlängert werden, wenn die ab dem vierten Monat vorgesehene weitere Pflegeperson erkrankt oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, die Pflege des Angehörigen zu übernehmen.

 

Rz. 1366

Die Form der Erklärung zur Verlängerung der Pflegezeit ist gesetzlich nicht geregelt. Sie ist daher formlos möglich, muss aber den wichtigen Grund entsprechend darlegen.

 

Rz. 1367

Gem. § 4 Abs. 1 S. 4 PflegeZG wird die Pflegezeit auf Berufsbildungszeiten nicht angerechnet, womit sich das Berufsausbildungsverhältnis entsprechend verlängert.

 

Rz. 1368

Die sechsmonatige Höchstdauer der Pflegezeit kann nicht in mehrere Abschnitte gesplittet werden, z.B. ...

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