Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1745
Die Abgeltung des Urlaubes im bestehenden Arbeitsverhältnis ist mit dem Wesen und Zweck des Urlaubsanspruches nicht vereinbar und unzulässig (BAG v. 26.6.1969, AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG Urlaubsjahr). Ein Abkaufen des Urlaubes – auch mit Einverständnis des Arbeitnehmers – führt nicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruches, sodass der Arbeitnehmer den Urlaub noch zu nehmen berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, den erhaltenen Abgeltungsbetrag zurückzuzahlen (BAG v. 5.2.1970 – 5 AZR 223/69; BAG v. 7.12.1956, AP Nr. 4 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch, AP Nr. 1 zu § 817 BGB), sofern sein Verhalten nicht ausnahmsweise arglistig ist.
Rz. 1746
Der Urlaub ist gem. § 7 Abs. 4 BUrlG dann, aber auch nur dann abzugelten – also in Geld zu zahlen –, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr (in natura) gewährt werden kann. Dieser Anspruch entsteht unabhängig vom Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, besteht also bei Kündigungen, Beendigung infolge einer Befristungsabrede, eines Aufhebungsvertrages, Erreichens der Altersgrenze, Erwerbsunfähigkeit etc. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des "aktuellen" Jahresurlaubs, sondern auch hinsichtlich eines etwaigen Ersatzurlaubsanspruchs wegen Schadenersatzes, den das BAG nunmehr unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr als reinen Geldanspruch nach § 251 Abs. 1 BGB klassifiziert, sondern um einen Anspruch auf Naturalrestitution i.S.d. § 249 BGB (BAG v. 16.5.2017 – 9 AZR 572/16, NJW 2017, 2638). Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen. Unter angemessener Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Haftung im Arbeitsverhältnis führt es nicht zur Unwirksamkeit einer die Haftung wegen Vorsatzes ausnehmenden Ausschlussklausel in einem Formulararbeitsvertrag, wenn sie im Übrigen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB nicht beachtet und bei Nichteinhaltung der Ausschlussfrist Haftungsansprüche verfallen, auf die sich die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB beziehen (vgl. BAG v. 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, NZA 2020, 513).
Voraussetzung für die Urlaubsabgeltung ist ein noch bestehender also nicht verfallener oder erfüllter Urlaubsanspruch zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Das BAG ging bis 2009 in st. Rspr. davon aus, dass einem Arbeitnehmer, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt sei, zwar der Abgeltungsanspruch erwachse, dieser allerdings wegen der AU nicht erfüllbar sei und damit erlösche (s. etwa BAG v. 14.5.1986, BAGE 52, 67). Eine Änderung dieser Rspr. hatte sich im Hinblick auf die Auslegung des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG zur Arbeitszeitgestaltung durch die Generalanwältin bereits angedeutet (BAG v. 15.4.2008 – 9 AZN 1413/07, juris). Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG bestimmt, dass jedem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindestjahresurlaub von 4 Wochen "nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind". Nach Abs. 2 der RL darf dieser bezahlte Mindesturlaub außer bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Der EuGH hat darauf in seinem Urt. v. 20.1.2009 ("Schultz-Hoff" DB 2009, 234) den Abs. 1 dieser RL dahin gehend ausgelegt, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegenstehe, nach denen ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraumes und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraumes auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraumes oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Ferner hat der EuGH in seinem Urteil ausgeführt, dass in einem derartigen Fall Abs. 2 der RL dahin gehend auszulegen sei, dass eine finanzielle Vergütung in der Weise zu erfolgen hat, dass das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das während der Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch die Grundlage für die Berechnung im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet.
Rz. 1747
Der für das Urlaubsrecht zuständige 9. Senat des BAG hat sich in seinem Urt. v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 (NZA 2009, 538) unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. ("Surrogatstheorie") diesen Vorgaben angeschlossen. Diese Entscheidungen stellen (nach wie vor) eine Zäsur im deutschen Urlaubsrecht mit erheblichen praktischen Auswirkungen dar (krit. zum Urlaub als reiner "vermögenswirksamer Position" Melot de Beauregard, DB 2009, 85; zust. Rummel, AuR 2009, 214; zur Entwicklung insgesamt: Düwell, NZA-Beil. 2011, 133).
Rz. 1748
Bedeutsam ist von nun an einerseits die Unterscheidung zwischen dem Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs von vier Wochen und (etwaig) tar...