Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 338
In Tendenzbetrieben (z.B. Kirche, Gewerkschaften, Rundfunk, Fernsehen, vgl. § 118 BetrVG) haben sich die sog. Tendenzträger (Arbeitnehmer, die durch ihre Arbeit an der geistig-ideellen Zielsetzung des Unternehmens bzw. der Organisation mitwirken) bei ihrer Tätigkeit nach der Tendenz zu richten und dürfen auch im außerbetrieblichen Bereich nicht gegen die Tendenzen ihres Betriebes verstoßen, sodass außerdienstliches Verhalten in diesem Bereich eher eine Kündigung rechtfertigen kann.
Rz. 339
Dies gilt insbesondere in kirchlichen Einrichtungen. Die Arbeitsgerichte haben bei der Bewertung einzelner Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe zugrunde zu legen. So kann der Kirchenaustritt eines im verkündungsnahen Bereich eingesetzten Mitarbeiters der Einrichtungen der katholischen Kirche eine – ggf. außerordentliche – Kündigung rechtfertigen (BAG v. 25.4.2013 – 2 AZR 579/12, juris). Eine Arbeitnehmerin in einem evangelischen Kindergarten, die in der Öffentlichkeit werbend für eine andere Glaubensgemeinschaft auftritt und deren von den Glaubenssätzen erheblich abweichende Lehre verbreitet, bietet regelmäßig keine hinreichende Gewähr mehr dafür, dass sie der arbeitsvertraglich übernommenen Verpflichtung zur Loyalität ggü. der evangelischen Kirche nachkommt. Ein solches Verhalten kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG v. 21.2.2001 – 2 AZR 139/00, NZA 2001, 1136 = BB 2001, 1854). Das BAG hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 entschieden, dass unionsrechtlich ein Ausgleich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts mit dem Recht des Arbeitnehmers, vor Diskriminierung geschützt zu werden, stattzufinden hat (BAG v. 20.2.2019 – 2 AZR 746/14, juris). Eine Benachteiligung wegen der Religion lasse sich nicht allein mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen rechtfertigen. Vielmehr hänge es von der Tätigkeit des Arbeitnehmers ab, ob die Religion eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der betreffenden Kirche sei. Das BAG verlangt einen – objektiv bestehenden – direkten Zusammenhang zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der Tätigkeit des Arbeitnehmers. Ein solcher Zusammenhang könne sich entweder aus der Art der Tätigkeit ergeben, z.B. wenn die Tätigkeit mit einem Verkündungsauftrag verbunden ist, oder aus den Umständen ihrer Ausübung, z.B. der Notwendigkeit, für eine glaubwürdige Vertretung der Kirche nach außen zu sorgen. Im zu entscheidenden Fall hat das BAG in Anwendung der vorstehenden Grundsätze die Kündigung eines Chefarztes nach dessen Wiederheirat für unwirksam erklärt (BAG v. 20.2.2019 – 2 AZR 746/14, juris).
Rz. 340
Diese gesteigerten Loyalitätspflichten treffen jedoch nur Arbeitnehmer, die Tendenzträger sind, das außerdienstliche Verhalten der übrigen Mitarbeiter (z.B. gewerbliche Arbeitnehmer) richtet sich nach den vorstehenden allgemeinen Grundsätzen (BVerfG v. 4.6.1985 – 2 BvR 1703/83, BB 1985, 1600 = NJW 1986, 367).
Rz. 341
Gesteigerte Loyalitätspflichten kamen auch den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes zu. Diese hatten sich gem. § 8 Abs. 1 S. 1 BAT so zu verhalten, wie es von den Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden konnte. Danach hatten sie auch ihr außerdienstliches Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitsgebers nicht beeinträchtigt wird. Eine außerdienstlich begangene Straftat von einigem Gewicht vermochte auf dieser tariflichen Grundlage die verhaltensbedingte Kündigung eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu rechtfertigen (vgl. u.a. BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 325/00, NZA 2002, 1030 = NJW 2002, 2582). Nach der Neuregelung des Tarifrechts (vgl. § 41 S. 1 und S. 2 TVöD) bestehen die besonderen Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten der Arbeitnehmer lediglich noch für auch hoheitlich tätige Arbeitnehmer, ansonsten sind die besonderen Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten der Arbeitnehmer von den Tarifvertragsparteien aufgehoben worden. Demzufolge besteht für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im nichthoheitlichen Bereich nach der Neuregelung des Tarifrechts nicht mehr die besondere Pflicht, ihr gesamtes privates Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Dies bedeutet, dass für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes keine weiter gehenden vertraglichen Nebenpflichten als für die Beschäftigten der Privatwirtschaft gelten (BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 293/09, NZA 2011, 112 = DB 2011, 307; BAG v. 10.9.2009 – 2 AZR 257/08, NZA 2010, 220 = MDR 2010, 453).
Rz. 342
Insofern vermag die ältere Rechtsprechung zu § 8 BAT für die Zukunft auch nur dann herangezogen zu werden, wenn die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auch hoheitlich tätig sind. So ist dem öffentlichen Arbeitgeber etwa eine Weiterbeschäftigung unzumutbar, sofern der Arbeitnehmer schwere außerdienstliche Straftaten begeht, die in keinem konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis...