Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1194
§ 3 Abs. 3 AGG definiert den Begriff der "Belästigung", welche eine verbotene Benachteiligung i.S.d. §§ 1, 2 AGG darstellt. Danach ist eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und in ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG v. 24.4.2008, DB 2008, 2086; BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223).
Rz. 1195
Das BAG ist der Ansicht, dass mit der Definition des Begriffes "Belästigung" der Gesetzgeber letztlich auch den Begriff des Mobbing umschrieben habe, soweit dieses seine Ursachen in der Rasse, der ethnischen Herkunft, dem Geschlecht, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, im Alter oder der sexuellen Identität des Belästigten habe (BAG v. 24.4.2008, DB 2008, 2086; dieser Ansicht schließen sich ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 623; Bauer/Krieger/Günther, AGG, § 3 Rn 46 an). Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal in Zusammenhang stehen. Eine Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 3 AGG liegt auch hier nur dann vor, wenn ein feindliches Umfeld geschaffen wird; hierdurch ist klargestellt, dass einmalige Handlungen nicht ausreichen. § 3 Abs. 3 AGG stellt ebenso auf die Zusammenschau einzelner unerwünschter Verhaltensweisen ab und darauf, ob ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Begriff der Belästigung ist damit teilweise deckungsgleich mit dem Begriff des Mobbings, das allerdings noch deutlich über die Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 3 AGG umfassten Benachteiligungen als solche hinausgeht (vgl. Biester, onlinePR-ArbR 35/2006 Anm. 6; Wolmerath, Rechtshandbuch, Rn 33). Trotz deutlicher Überschneidungen von Belästigung und Mobbing, liegt keine Identität der Begriffe vor, weil die Belästigung nach dem AGG immer bezogen auf die in § 1 AGG geschützten Merkmale erfolgt. Bei Mobbing handelt es sich aber um einen Sammelbegriff für eine Vielzahl von Verhaltensweisen, die ohne jeglichen diskriminierenden Merkmalsbezug erfolgen können (Rust/Falke/Egert-Weyand, AGG, § 3 Rn 65; Worzalla, AGG, 60). Lediglich die Fälle des diskriminierenden Mobbings mit Merkmalsbezug des AGG werden (auch) von § 3 Abs. 3 AGG erfasst und dadurch erstmals gesetzlich geregelt.
Rz. 1196
Da ein Umfeld grds. nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind ebenso nach dem AGG alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG v. 24.4.2008, DB 2008, 2086; BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223). Abzustellen ist daher auf systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen/Verhaltensweisen zusammensetzende Verletzung, wobei den einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung zukommt (BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223; BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1154).
Rz. 1197
Das BAG (v. 25.10.2007, NZA 2008, 223) geht zudem davon aus, dass Fälle der sexuellen Belästigung und der Benachteiligung wegen der in § 1 AGG genannten Gründe gesetzlich geregelte Verpflichtungen des Arbeitgebers auf Mobbing-Fälle übertragen werden können, weil § 12 AGG lediglich als die Konkretisierung der dem Arbeitgeber ggü. seinen Arbeitnehmern obliegende Fürsorgepflicht darstellt. Für Mobbing-Fälle nach Inkrafttreten des AGG am 18.8.2006 kommt daher eine analoge Anwendung infrage, für die früheren Fälle kann die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entsprechend den in den gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen konkretisiert werden. Dies bedeutet, dass insb. bei einer Benachteiligung eines Arbeitnehmers aus den in § 1 AGG genannten Gründen § 12 Abs. 3 AGG die Pflichten des Arbeitgebers weiter konkretisiert. Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Dem Arbeitgeber steht aber zur Auswahl der geeigneten Maßnahme ein Ermessensspielraum zu. Die Kündigung eines unter § 1 KSchG fallenden Arbeitnehmers stellt immer die sog. ultima ratio dar, d.h. der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung versuchen, ob er diese nicht mit milderen Mitteln vermeiden kann.