Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1373
Der Arbeitgeber darf nach § 5 Abs. 1 PflegeZG das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG nicht kündigen. Der Sonderkündigungsschutz besteht nach dem Wortlaut bereits mit dem Zugang der Arbeitsverhinderungsanzeige. Er schützt vor ordentlichen, außerordentlichen Kündigungen und Änderungskündigungen. Er kann zeitlich vor der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG greifen.
Rz. 1374
Der bislang nach § 8 TzBfG nach einer sechsmonatigen Wartezeit zu erhebende Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit, kann nun nach dem PflegeZG ohne Wartezeit erhoben werden. Ebenso kann die Freistellung oder Reduzierung der Arbeitszeit noch während der Probezeit erhoben werden. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer bei Problemen mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes bereits während der Probezeit mit einer Ankündigung der Pflegezeit den Sonderkündigungsschutz des § 5 Abs. 1 PflegeZG erlangen kann (Schwerdle, ZTR 2007, 655, 661).
Rz. 1375
Die uneinheitliche Anwendung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmer- und des sozialrechtlichen Beschäftigungsbegriffes innerhalb des Gesetzes führt dazu, dass der Sonderkündigungsschutz (kurioserweise) auch auf arbeitnehmerähnlichen Personen erstreckt wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG), welche vor dem 1.7.2008 überhaupt keinen Kündigungsschutz genossen. Hiervon kann aufgrund des weiten Anwendungsbereiches des Gesetzes auch eine arbeitnehmerähnliche Person profitieren, die eben keinen Arbeitgeber, sondern ein oder mehrere Auftraggeber hat (krit. hierzu Preis/Weber, NZA 2008, 82, 83). Das BAG hatte bisher jegliche Ausweitung des Kündigungsschutzes auf Arbeitnehmerähnliche abgelehnt (vgl. BAG v. 8.7.2007, NJW-Spezial 2007, 611). Diese Rechtsauffassung wird nun durch das PflegeZG nicht mehr aufrecht zu halten sein (a.A. Rose/Dörstling, DB 2008, 2137).
Rz. 1376
Der Sonderkündigungsschutzzeitraum besteht von der Ankündigung, höchstens aber zwölf Wochen vor dem angekündigten Termin bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, der Freistellung nach § 3 PflegeZG oder einer Familienpflegezeit.
Rz. 1377
Die Nachweispflicht nach § 3 Abs. 2 PflegeZG regelt nicht, zu welchem Zeitpunkt die Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes vorzulegen ist. Eine Vorverlegung zur Beanspruchung des Sonderkündigungsschutzes ist daher grds. möglich. Der frühzeitig ausgesprochenen Ankündigung kann auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauches aus § 242 BGB entgegengehalten werden, da der Beschäftigte sich darauf berufen kann, dass er dem Arbeitgeber eine möglichst lange Vorbereitungszeit zur Einstellung einer Ersatzkraft einräumen wollte (vgl. Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 735, welche sich für eine teleologische Reduktion auf acht Wochen vor dem Beginn der Pflegezeit aussprechen). Eine Analogie von § 18 Abs. 1 BEEG ist mangels (offensichtlichen) Redaktionsversehens oder einer unbewussten Regelungslücke nicht zulässig.
Rz. 1378
Der Sonderkündigungsschutz kann für einen Beschäftigten ebenso durch die Pflege unterschiedlicher Angehörige ausgeweitet werden.
Rz. 1379
Der Sonderkündigungsschutz greift nur bei einer berechtigten Inanspruchnahme von Pflegezeit. Kann der Beschäftigte die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen nicht nachweisen, entfällt der Sonderkündigungsschutz.
Rz. 1380
Gem. § 5 Abs. 2 PflegeZG kann ausnahmsweise in besonderen Fällen eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle für zulässig erklärt werden. Diese Regelung entspricht den Vorschriften im MuSchG, im BEEG und im SGB IX.