Rz. 20

Betriebsratsmitglieder können wegen Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten, aber nicht wegen Kritik an ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Amtsausübung abgemahnt werden. Bei Amtspflichtverletzungen ist als Sanktion das Amtsenthebungsverfahren gem. § 23 Abs. 1 BetrVG vorgesehen.

 

Rz. 21

Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Bereichen bereitet teilweise Schwierigkeiten: Das BAG hat eine Abmahnung als begründet angesehen, wenn sich das Betriebsratsmitglied vor Beginn seiner unter § 37 Abs. 2 BetrVG fallenden Betriebsratstätigkeit beim Arbeitgeber nicht abmeldet, da die Abmeldepflicht jedenfalls auch auf dem Arbeitsvertrag beruhe (vgl. BAG v. 15.7.1992 – 7 AZR 466/91, NZA 1993, 220 = DB 1993, 438).

 

Rz. 22

Spricht der Arbeitgeber ggü. einem Betriebsrat eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung aus, weil dieser unberechtigt an einer Schulungsveranstaltung gem. § 37 Abs. 6 BetrVG teilgenommen habe, kommt es darauf an, ob die Teilnahme unter Anlegung eines objektiven Maßstabes erforderlich war. Dabei wird dem Betriebsratsmitglied ein Beurteilungsspielraum zugebilligt. Allein auf den Beschluss des Betriebsrates, ihn zu einer bestimmten Schulungsmaßnahme zu entsenden, darf er sich nicht verlassen. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Betriebsratsmitglied bei einer gewissenhaften Überlegung die Teilnahme an der Schulungsmaßnahme im Hinblick auf die ihm obliegenden Betriebsratsaufgaben für erforderlich halten durfte (BAG v. 10.11.1993 – 7 AZR 682/92, NZA 1994, 500 = BB 1994, 1290). Nur die Überschreitung des Beurteilungsspielraumes rechtfertigt eine Abmahnung. Hinzukommen muss ferner eine Wiederholungsgefahr. Nicht jede trotz allen Bemühens vorliegende Fehlbeurteilung der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme rechtfertigt eine Abmahnung, sondern es muss die hinreichende Gefahr, dass sich die Überschreitung des Beurteilungsspielraumes wiederholt, hinzutreten. Handelt es sich bei der Erforderlichkeit um eine schwierig zu beurteilende oder ungeklärte Rechtsfrage, kommt eine Abmahnung durch den Arbeitgeber wegen Versäumung der Arbeitszeit regelmäßig nicht in Betracht (BAG v. 31.8.1994 – 7 AZR 893/93, NZA 1995, 225 = DB 1995, 1235).

 

Rz. 23

Bei einer zeitlichen Kollision zwischen der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung und betrieblicher Unabkömmlichkeit gilt Folgendes:

Die Dringlichkeit der beruflichen Tätigkeit ist ggü. der Notwendigkeit, an der Betriebsratssitzung teilzunehmen, gegeneinander abzuwägen (BAG v. 30.4.1997 – 7 AZR 229/96, n.v.). Die Verpflichtung eines Betriebsratsmitgliedes, an einer kurzfristig anberaumten Betriebsratssitzung teilzunehmen, hat nicht grds. Vorrang vor seiner Anwesenheitspflicht an seinem Arbeitsplatz bzw. im Betrieb. Auch bei einem dringenden betrieblichen Bedürfnis an der Arbeitsleistung des Betriebsratsmitgliedes ist abzuwägen, ob seine Teilnahme an der Betriebsratssitzung so wichtig ist, dass sie auch die Nichtleistung der dringenden beruflichen Tätigkeit i.S.d. § 37 Abs. 2 BetrVG erforderlich macht. Im Zweifel geht die Teilnahme an der Betriebsratssitzung vor. Wenn aber auf der Sitzung keine wichtigen Fragen behandelt werden, für die gerade die Teilnahme des betroffenen Betriebsrates erforderlich ist, kann es in Fällen einer betrieblichen Unabkömmlichkeit durchaus sachgerecht sein, das Betriebsratsmitglied als verhindert anzusehen, sodass sein Vertreter an der Betriebsratssitzung teilnehmen muss.

 

Rz. 24

Schließlich spielt die Abmahnung von Betriebsratsmitgliedern wegen gewerkschaftlicher Werbung in der betrieblichen Praxis eine Rolle. Die Verteilung gewerkschaftlichen Werbematerials während der Arbeitszeit ist grds. nur zulässig, wenn dies für die Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Gewerkschaft als unerlässlich angesehen werden muss (BAG v. 26.1.1982 – 1 AZR 610/80, DB 1982, 1327 = BB 1982, 1173). Besteht aber die Möglichkeit, Werbematerial oder Beitrittsformulare während der Pausen an Arbeitskollegen zu verteilen, ist es nicht zulässig, während der Arbeitszeit Werbebroschüren und Beitrittserklärungen zu überreichen (BAG v. 13.11.1991 – 5 AZR 74/91, NZA 1992, 690 = DB 1992, 843).

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