Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1255
Grds. ist nach § 254 BGB auch bei dem Umfang der aus Mobbinghandlungen entstehenden Schadensersatzpflicht ein Mitverschulden des Mobbingopfers zu berücksichtigen (vgl. hierzu Etzel, b&b 1996, 305). Dies kann der Fall sein, wenn die Mobbinghandlungen durch eigene Rechts- oder Kommunikationsübergriffe provoziert wurden. Eine Schmerzensgeldzahlung wegen Mobbings scheidet regelmäßig aus, wenn sich das gerügte Verhalten des Arbeitgebers als eine Reaktion auf eine Provokation des Arbeitnehmers darstellt (LAG Schleswig-Holstein v. 24.1.2017 – 1 Sa 6/16). Eine als Mitverschulden anrechenbare Provokation liegt aber nicht darin, dass der betroffene Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt oder die sozial adäquaten Umgangsformen eingehalten hat. Ebenso liegt kein Mitverschulden vor, wenn der Arbeitgeber statt Maßnahmen gegen den Mobber zu ergreifen, dem gemobbten Arbeitnehmer eine Umsetzung oder Versetzung anbietet, die dessen persönliche Lebenssituation verschlechtert oder gar der Fortsetzung des Mobbings Vorschub leistet und der gemobbte Arbeitnehmer diese Änderung deshalb ablehnt. Mit einer solchen Handlungsweise wird der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Beseitigung der Mobbingfolgen nicht gerecht. Diese ihn treffende Handlungspflicht erfordert vorrangig die Rehabilitation des Mobbingopfers. Eine Versetzung entspricht unbeschadet einer einvernehmlichen Regelung nur dann billigem Ermessen, wenn sie den mobbenden Arbeitnehmer selbst betrifft oder eine klare Täter-Opfer-Trennung ausscheidet (vgl. Wickler, DB 2002, 483 Fn 55). Dies folgt auch daraus, dass der Arbeitgeber die durch Mobbingangriffe belästigten Beschäftigten nicht benachteiligen darf, weil diese sich gegen die Mobbingangriffe gewehrt und in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt haben. Insoweit gilt für Mobbingangriffe nichts anderes als das, was der Gesetzgeber bereits für die Fälle der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG bzw. § 75 Abs. 2 BetrVG festgelegt hat (hierzu auch Rdn 1194 ff.). Keinesfalls kann es dem betroffenen Arbeitnehmer als Mitverschulden zur Last gelegt werden, wenn dieser das Angebot einer Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung ausgeschlagen hat. Dem Mobbingopfer kann i.R.d. Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB auch nicht zur Last gelegt werden, dass er den Arbeitgeber nicht auf die durch das Mobbing drohende Erwerbsunfähigkeit hingewiesen hat, wenn das Mobbingopfer selbst nicht vom Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ausgegangen ist oder der Arbeitgeber aufgrund ständiger Arbeitsunfähigkeitszeiten des gemobbten Arbeitnehmers selbst mit dem bevorstehenden Eintritt der Erwerbsunfähigkeit rechnen musste. Eine krasse Fehlentscheidung enthält deshalb die unter Heranziehung der vorgenannten drei Gesichtspunkte erfolgte Abweisung einer Mobbingschadensersatzklage durch das LAG Bremen (v. 17.1.1995 – 1 Sa 41/94, n.v.) wegen überwiegenden Mitverschuldens des Klägers am Eintritt seiner Erwerbsunfähigkeit.
Rz. 1256
Wenn der Arbeitgeber unter Verstoß gegen seine Organisations- und Schutzpflichten die zur Eindämmung des Mobbings gebotenen Maßnahmen unterlassen hat, ist für die ab dem Zeitpunkt des Eintritts seiner Pflicht, das Mobbing zu unterbinden, eintretenden Schäden oder deren Erhöhung seine Berufung auf § 254 Abs. 2 BGB rechtsmissbräuchlich.