Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
aa) Betriebsübergang
Rz. 1756
Mit dem Betriebsübergang tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus dem zum Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Veräußerer ein, § 613a Abs. 1 S. 1 BGB. Der Wechsel des Arbeitgebers durch Betriebsübergang stellt demzufolge kein Ende des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer dar, aufgrund dessen sich der Urlaub gesetzlich (§ 7 Abs. 4 BUrlG) in einen Abgeltungsanspruch ggü. dem Veräußerer umwandelt (BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, DB 2004, 1267). Der Urlaubsanspruch – die Freistellung von der Arbeitspflicht – kann nur vom jeweiligen Arbeitgeber erfüllt werden, nach einem Betriebsübergang also nicht mehr durch den Veräußerer, sondern nur noch durch den Erwerber, die einander nachfolgenden Betriebsinhaber schulden den Freistellungsanspruch daher zu keiner Zeit als Gesamtschuldner. Erst mit dieser Freistellung entsteht i.Ü. der Anspruch auf Urlaubsentgelt i.S.d. § 11 Abs. 1 BUrlG und wird fällig, § 11 Abs. 2 BUrlG. Aus diesem Grund schuldet der Erwerber das Urlaubsentgelt auch dann, wenn der nach dem Betriebsübergang angetretene Urlaub noch von dem Veräußerer genehmigt wurde (LAG Hessen v. 30.3.1998, NZA-RR 1998, 532).
Rz. 1757
Hat sich der Veräußerer vor dem Betriebsübergang zu Unrecht geweigert, den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen, ist er in Verzug geraten. Kommt es während der Folgezeit zu einem Betriebsübergang, gerät der Erwerber ebenfalls in Verzug, ohne dass der Arbeitnehmer ihm ggü. erneut den Urlaub geltend machen muss.
Rz. 1758
Ein Ausgleich zwischen Veräußerer und Erwerber ist daher letztlich nur denkbar bei dem Anspruch auf Urlaubsentgelt und zusätzlichem Urlaubsgeld, wenn der Betriebsübergang in den Urlaub fällt und einer von beiden die gesamte Urlaubsvergütung gezahlt hat (ErfK/Gallner, BUrlG, § 1 Rn 35).
Rz. 1759
Etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Betriebsübergang sind hingegen ausschließlich gegen den Erwerber zu richten.
bb) Insolvenz
Rz. 1760
Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ist auf Freistellung von der Arbeitspflicht gerichtet und wird demzufolge von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt (BAG v. 18.12.1986, ZIP 1987, 789), kann allerdings nur noch vom Insolvenzverwalter, oder – sofern es sich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens um einen sog. "starken vorläufigen Insolvenzverwalter" (§ 22 Abs. 1 InsO) handelt – von diesem gewährt werden.
Rz. 1761
Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseforderungen i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 InsO (BAG v. 25.3.2003 – 9 AZR 174/02, NZA 2004, 43). Dies gilt auch für den sog. Ersatzurlaubsanspruch (BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 97/06, DB 2007, 1705). Diese Privilegierung von Urlaubsabgeltungsansprüchen von Arbeitnehmern wurde durch das BAG jüngst bestätigt (BAG v. 25.11.2021 – 6 AZR 94/19, NJW 2022, 716, dazu: Bissels/Fuchs, NZI 2022, 115; Krings, EWiR 2022, 221). Wird der Arbeitnehmer allerdings nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter weiter beschäftigt, ist im Anwendungsbereich des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO der auf die Dauer der tatsächlichen Inanspruchnahme der Arbeitsleistung entfallende "anteilige" Geldwert des Urlaubes als Neumasseverbindlichkeit zu berichtigen (instruktiv, auch zur Berechnung: BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 97/06, NZA 2007, 696). Diese Entscheidung stellt eine Abkehr von dem vorherigen Standpunkt des BAG dar, wonach der auf Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung gerichtete Urlaubsanspruch nicht von einer Arbeitsleistung im Kalenderjahr abhängig sei, deshalb nicht monatlich verdient werde und – soweit eine Festlegung noch nicht erfolgt sei – keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden könne (BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651; BAG v. 25.1.2018 – 6 AZR 8/17, NZA 2018, 1153). Damit verbiete sich auch eine rechnerische Zuordnung bestimmter Urlaubstage auf Zeitpunkte vor und nach Eröffnung der Insolvenz (BAG v. 25.3.2003 – 9 AZR 174/02, NZA 2004, 43).
Rz. 1762
Stellt der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer unwiderruflich "unter Anrechnung auf offenen Urlaub" von jeder Arbeitsleistung frei, entsteht keine Neumasseverbindlichkeit (BAG v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, NZA 2005, 354).
Rz. 1763
Hat ein Arbeitnehmer eine Forderung auf Urlaubsabgeltung bereits zur Tabelle angemeldet, hindert ihn dies nicht daran, den Anspruch dennoch als Masseverbindlichkeit, oder – im Fall eines Betriebsüberganges – ggü. dem Erwerber geltend zu machen (BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651).
Rz. 1764
Zu beachten ist ferner, dass Leistungsklagen gegen den Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit wegen des Vollstreckungsverbotes unzulässig sind, sofern sie sich auf Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 (sog. Altmasseverbindlichkeiten) beziehen, § 210 InsO. Verbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 InsO sind hingegen grds. weiterhin mit der Zahlungsklage zu verfolgen (BAG v. 15.6.2004...