Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1199
Mobbingangriffe sind mit der im GG verbrieften objektiven Wertordnung, die ihren Mittelpunkt in der sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, nicht vereinbar. Die durch einen Mobbingkomplex in Betracht kommenden Rechtsverletzungen haben daher ihren Prüfungsschwerpunkt in der Frage der Verletzung des den Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 GG und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 GG zusammenfassenden Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (Wickler, DB 2002, 481).
Rz. 1200
Dies ist nicht nur der Fall, wenn es um Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, Geldentschädigungsansprüche oder Gestaltungsrechte (wie z.B. Kündigung des Mobbers oder Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes an der Arbeitsleistung durch das Mobbingopfer) geht, bei denen eine über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht hinausgehende Rechtsgutverletzung nicht infrage steht. Das Gleiche gilt für Schadensersatzansprüche, die weiter gehende Rechtsverletzungen wie die Verletzung der Gesundheit ausgleichen oder den Anspruch auf Schmerzensgeld für den immateriellen Schaden einer Gesundheitsverletzung. Ausgangsvoraussetzung für alle Anspruchsgrundlagen ist die Feststellung einer im Fortsetzungszusammenhang stehenden Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Eine Ausnahme hiervon ist nur bei Mobbing durch fortgesetzte körperliche Angriffe zu machen. Die Feststellung der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ist daher die Eintrittsschwelle und Durchlaufstation bei der Prüfung mobbingtypischer Rechtsverletzungen (vgl. Wickler, DB 2002, 481).
Rz. 1201
Die Ausstrahlungswirkung der in Art. 1 und 2 GG zum Ausdruck kommenden Werteordnung wirkt auf den Bereich des Privathandelns zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Jeder Vertragspartei erwachsen aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme, § 241 Abs. 2 BGB. Infolge einer entsprechenden Anwendung des § 242 BGB hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorge- und Schutzpflichten auf das Wohl und die berechtigten Interessen seines Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Er darf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht verletzen (BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223). Dies verbietet auch die Herabwürdigung oder Missachtung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber (BAG v. 24.4.2008, DB 2008, 2086). Verletzt der Arbeitgeber das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers, liegt darin nicht nur eine unerlaubte Handlung, sondern zugleich ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten (so schon BAG v. 4.4.1990, NZA 1990, 933, 934, diesem folgend LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 357, 354). Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall einen Anspruch auf Beseitigung der fortwährenden Beeinträchtigung und auf das Unterlassen weiterer Verletzungshandlungen (BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223; BAG v. 12.9.2006, NZA 2007, 269). Den Arbeitgeber trifft infolge dieser Wertorientierungen darüber hinaus die Verpflichtung, einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die bei ihm Beschäftigten vor Rechtsverletzungen und damit auch vor Mobbing durch Vorgesetzte, Mitarbeiter oder andere außenstehende Dritte, auf die er einen Einfluss hat, zu schützen (BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223; LAG Thüringen v. 15.2.2001, NZA-RR 2001, 580 und LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 354 im Anschluss an MünchArbR/Blomeyer, § 97 Rn 39–41; Wickler, DB 2002, 478).
Rz. 1202
Das psychische Wohlbefinden der Beschäftigten ist auch für die Gefährdungsbeurteilung relevant. Psychische Belastungen wie Stress und Mobbing zählen zu den nach § 5 ArbSchG zu beachtenden Gefährdungsquellen (VG Berlin v. 1. 6. 2018 – 62 K2.18).
Rz. 1203
Die Ausstrahlungswirkung der Verfassung führt in der Folge der ebenfalls auf § 242 BGB beruhenden arbeitsvertraglichen Pflicht zu arbeitgebertreuem Verhalten (hierzu Haller/Koch, NZA 1995, 359) indirekt auch dazu, dass die Arbeitnehmer untereinander den humanitären Wertorientierungen der Art. 1 und 2 GG unterworfen sind (ausführlich Wickler, DB 2002, 478, LAG Thüringen v. 15.2.2001, NZA-RR 2001, 579), weil der Arbeitgeber ggü. Mobbern ansonsten wegen Verletzung des Arbeitsvertrages kündigungsrechtlich vorgehen oder diese in Bezug auf den ggf. von ihm an das Mobbingopfer zu leistenden Schadensersatzes wegen Verletzung der Treuepflichten aus dem Arbeitsvertrag in Regress nehmen kann. Vertragliche Ansprüche einzelner Arbeitnehmer untereinander sind allerdings nicht gegeben (BAG v. 18.1.2007, NZA 2007, 1167; Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid/Beckernnn, Rn 84). Insofern ist die Mobbingabwehr bzw. Beseitigung der Mobbingfolgen im Verhältnis von Arbeitnehmern untereinander nur mittels strafrechtlicher, deliktischer oder quasinegatorischer Ansprüche durchsetzbar.
Rz. 1204
Weil es bei dem rechtlichen Mobbingschutz um die Durchsetzung und den Schutz der verfassungsmäßigen Wertordnung geht und insb. ...