Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1207
In Abgrenzung zu "normalen Konflikten" am Arbeitsplatz muss in einem ersten Prüfungsschritt eine Vielzahl von Handlungen vorliegen, die möglicherweise erst in einer rückwirkenden Betrachtungsweise eine Systematik oder Prozesshaftigkeit erkennen lassen. Einmalige oder vereinzelt gebliebene Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes sind im rechtlichen Sinne kein Mobbing (LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 358). Nach zutreffender Ansicht des LAG Thüringen ist aber eine bestimmte Dauer oder Frequenz des Mobbingverhaltens deshalb nicht erforderlich, weil der bei Mobbing vorliegende Eintritt einer Rechtsverletzung durch die Summe eines Verhaltens nicht von der Feststellung einer Laufzeit oder Wiederholungsquote der einzelnen Verhaltenselemente abhängt, sondern von dem nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilenden Zeitpunkt des Eintrittes der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes oder anderer Rechte, wie Ehre und Gesundheit (LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 357; Etzel, b&b 1996, 300). Die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen muss zu einer Vertrags- und Rechtsgutverletzung führen, welche aufgrund der ihnen zugrunde liegende Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt (BAG v. 25.10.2007, NZA 2008, 223; BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1154).
Rz. 1208
Wie das LAG Thüringen richtig ausführt, sind alle Verhaltensweisen, die einen Beitrag zu einer objektiven Verletzung des Persönlichkeitsrechtes darstellen, in die Prüfung mit einzubeziehen, also auch versteckte Handlungen oder solche Handlungen, die nicht oder zunächst nicht zu einer subjektiven Wahrnehmung als feindlichen Angriff führen (vgl. insoweit LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 354, 357; MünchArbR/Blomeyer, § 53 Rn 28; Bieler/Heilmann, ArbuR 1996, 430). Das subjektive Gefühl, gemobbt zu werden, reicht nach zutreffender Ansicht ohne das Vorliegen objektiver Anhaltspunkte für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht zur Annahme von Mobbing aus (LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 354; Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 372). Die subjektiven Empfindungen des Mobbingopfers spielen für die Frage der tatbestandlichen Feststellung einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch Mobbing keine Rolle (a.A. Wolmerath/Esser, S. 447). Lassen weder die der Arbeitgeberin vorgeworfenen Verhaltensweisen – jede für sich gesehen – sich als inadäquat darstellen noch eine Gesamtschau aller einzubeziehenden Verhaltensweisen den Schluss auf ein Mobbing zu (hier die permanente Einstellen der Entgeltzahlungen, die von der Arbeitgeberin ausgesprochenen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und eines Arbeitsunfalls), ist eine Entschädigung in Geld nicht zu gewähren. Nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers stelle eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers dar (LAG Hamm v. 12.2.2021 – 1 Sa 1220/20).