Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1216
Die Begründung des Mobbingvorwurfs d.h. der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch fortgesetztes Verhalten, erfordert nach der Rspr. des BAG (v. 15.1.1997, NZA 1997, 781) das Bestehen eines systematischen Zusammenhanges zwischen den einzelnen Verhaltenselementen. Der systematische Zusammenhang erfordert zur Abgrenzung ggü. vereinzelt gebliebenen und lediglich isoliert überprüfbaren Rechtsverletzungen nach der dieses Tatmerkmal konkretisierenden Rspr. des LAG Thüringen ein Aufeinanderaufbauen oder Ineinanderübergreifen als äußeren und einen gemeinsamen Nenner als inneren Zusammenhang der gegenseitigen Ergänzung (LAG Thüringen v. 15.2.2001, NZA-RR 2001, 579 und LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 358).
Rz. 1217
Ein äußerer Zusammenhang wird gekennzeichnet durch das Erfordernis einer zeitlichen aber auch örtlichen Beziehung der einzelnen Mobbingbestandteile. Die den Mobbingsachverhalt begründenden Verhaltenselemente können parallel laufen oder sich überschneiden. Dann liegt ein Ineinanderübergreifen vor. Sie können aber auch zeitlich versetzt ablaufen. Dann liegt ein Aufeinanderaufbauen vor. Im letztgenannten Fall darf allerdings der zeitliche Abstand nicht so groß sein, dass eine Unterbrechung des Zusammenhanges anzunehmen ist. Wann dieser Abstand den äußeren Systemzusammenhang unterbricht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. So wird der mobbingtypische Systemzusammenhang, z.B. auch bei mehrmonatigem Ausbleiben von Mobbingangriffen, dann nicht unterbrochen, wenn das Mobbingopfer z.B. durch mobbingbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten oder aus anderen Gründen dem Mobbingzugriff am Arbeitsplatz entzogen ist und diese Angriffe bei Wiederherstellung der Zugriffsmöglichkeit fortgesetzt werden. Entscheidend ist der Abschluss der letzten Tathandlung. Es genügt ein behaupteter Vorfall in den letzten zwei Monaten vor Geltendmachung, um auch jahrelang zurückliegende Geschehnisse als Teil einer fortgesetzten Tat in das Verfahren einbeziehen zu können (vgl. BAG ArbRAktuell 2017, 576 m. Anm. Krieger). Der örtliche Zusammenhangsbezug fehlt auch nicht, wenn eine einvernehmliche Versetzung erfolgt ist, diese auf Druck der zuvor erfolgten Mobbinghandlungen zustande gekommen und der Betroffene der Fortsetzung derartiger Handlungen ausgesetzt ist oder aufgrund der neuen Arbeitsbedingungen Gefahr läuft, Fehler zu begehen, die dem Arbeitgeber die Chance eröffnet, sich seiner zu entledigen (LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 358). In diesen Fällen muss anhand des weiteren Geschehensverlaufes sorgfältig geprüft werden, ob seitens des Arbeitgebers wirklich eine faire Lösung des Mobbingproblems angestrebt wurde oder die Änderung der Arbeitsbedingungen geeignet ist, den auf das Opfer ausgeübten Druck, sich den im jeweiligen Einzelfall zugrunde liegenden mobbingspezifischen Zielsetzungen zu beugen, weiter zu erhöhen. Bei der Frage, ob eine bereits festgestellte Persönlichkeitsverletzung in Addition zu einer weiteren Rechtsverletzung eine den Anspruch auf Schmerzensgeld rechtfertigende schwere Persönlichkeitsverletzung darstellt, muss, wenn sie in der Anbringung eines Vermerks durch den Vorgesetzten auf einer Ausarbeitung des Arbeitnehmers liegt, festgestellt werden, ob derartige Vermerke in der Dienststelle des Arbeitnehmers üblich sind (BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 546/09, NZA-RR 2011, 378).
Rz. 1218
Der innere Zusammenhang erfordert keine besondere übergeordnete Zielsetzung des Mobbenden. Ausreichend ist eine objektive Eignung der Handlungen zur Verwirklichung von mobbingspezifischen Zielsetzungen. Durch die Feststellung fortgesetzter vorsätzlicher Schikanen, Diskriminierungen oder sonstiger feindlicher Angriffe auf ein und dieselbe Person ist eine mobbingspezifische, von der Rechtsordnung nicht gedeckte Zielsetzung indiziert. Diese kann z.B. in der über den Einzelfall hinausgehenden fortlaufenden Verursachung von Qualen, der Schädigung, der Isolation, dem Herausdrängen von Mitarbeitern aus beruflichen Positionen oder aus dem Arbeitsverhältnis sowie der sonstigen Bekämpfung von Konkurrenten oder missliebigen Mitarbeitern oder der sonstigen Erschwerung der Arbeitsbedingungen bestehen (vgl. auch Wickler, DB 2002, 481 Fn 45).
Rz. 1219
Richtet sich das Mobbing bei gleich gelagerter Zielsetzung zur gleichen Zeit und in dem gleichen Betrieb gegen mehrere Arbeitnehmer kann ein Gruppenmobbing vorliegen. Stehen die Gruppenmitglieder in einem ständigen Informationsaustausch zueinander und sind die einzelnen Mobbinghandlungen geeignet, die psychische Stabilität der anderen Gruppenmitglieder zu belasten, dann gelten diese Mobbinghandlungen als auch gegen die anderen Gruppenmitglieder gerichtet, sofern der Mobber von diesem Informationsaustausch Kenntnis hat oder diesen Umstand zur Verbreiterung der Wirkung von Einzelmaßnahmen nützt (zur Indizwirkung bei Gruppenmobbing vgl. Rdn 1268).