Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
aa) Wahrnehmung des Beschwerderechts, Ausschlussfrist
Rz. 1223
Bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes oder anderer ähnlich geschützter Rechte durch Mobbing hat der Betroffene mehrere Möglichkeiten. Zunächst kann und sollte er den Weg einer informellen Problemlösung gehen und Beschwerde bei einem dem Mobber übergeordneten Vorgesetzten führen. Daneben ist auch an eine Einschaltung des Betriebs- oder Personalrates zu denken (vgl. hierzu auch Rdn 1258). Ändert sich daraufhin nichts, ist in jedem Fall eine mit der Bitte um Unterbindung des Mobbings verbundene (auch über die bereits eingetretenen gesundheitlichen oder sonstigen Folgen) hinreichend genaue schriftliche Information des Arbeitgebers oder seiner gesetzlich bzw. rechtsgeschäftlich berufenen Vertreter (vgl. zu den Haftungsfolgen Rdn 1257) über die Mobbingsituation und ihre Auswirkungen auf die berufliche und gesundheitliche Situation des Betroffenen empfehlenswert und berechtigt. Dem Betroffenen ist es nicht zuzumuten, fortgesetzt weiteren Mobbingangriffen ausgesetzt zu sein. Die schriftliche Mitteilung dient der Absicherung seiner Ansprüche gegen den Arbeitgeber und der Herbeiführung der "Bösgläubigkeit" des unter Umständen die Mobbingabhilfe verweigernden Arbeitgebers.
Rz. 1224
Zu beachten ist, dass Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Geldentschädigung wegen Mobbings der tarifvertraglichen oder vereinbarten Ausschlussfrist unterliegen können, nach welcher "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" binnen sechs Monaten geltend zu machen sind (BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1154; LAG Hamm v. 23.3.2006 – 8 Sa 949/05, n.v.; LAG Sachsen v. 17.2.2005, BB 2005, 1576; Bieszk/Sadtler, NJW 2007, 3382, 3383). Die Ausschlussfrist beginnt wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung (BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1154). Solange die schädigende Handlung bzw. der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht andauert, kann der Betroffene regelmäßig weder die Folgen der Rechtsverletzung überblicken, noch kann der Schädiger bei anhaltender Verletzungshandlung als schutzwürdig angesehen werden. Verlangt hingegen der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Schadensersatz mit der Begründung, er sei während der Dauer seiner Tätigkeit in verschiedenen Fachabteilungen systematischen Mobbing-Handlungen der jeweiligen Vorgesetzten sowie anschließend nach Beginn seiner Erkrankung weiteren Mobbing-Handlungen des Personalleiters ausgesetzt gewesen, welcher es darauf angelegt habe, ihn endgültig aus dem Arbeitsverhältnisse hinauszudrängen, kommt ein zeitabschnitts- und Personen übergreifendes systematisches Handeln der Beteiligten an. Fehlt es an einer Unrechtsabrede und/oder ein gemeinsames Motiv der Beteiligten, beginnt mit Abschluss des jeweils täterbezogenen Mobbing-Komplexes eigenständig der Beginn der tarifvertraglichen Ausschlussfrist hinsichtlich erhobener Schadensersatzansprüche (LAG Hamm v. 11.2.2008 8 Sa 188/08, n.v.; in Fortführung der Rspr. des BAG v. 16.5.2007, NZA 2007, 1154). Allerdings erfasst eine vereinbarte Ausschlussfrist nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle (BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12). Vertragliche Ausschlussklauseln gelten nicht für Ansprüche aus vorsätzlicher Handlung. Eine Anwendung auf Fälle, die durch gesetzliche Ge- oder Verbote geregelt seien, sei daher, sofern nicht ausdrücklich anders geregelt, in der Regel nicht gewünscht.
Die Haftung des Arbeitgebers für Mobbing (wegen angeblich fehlender Unterstützung und fehlenden Schutzes der Arbeitnehmerin gegenüber Mobbing durch einen Kollegen der Klägerin), die bei Klageerhebung noch nicht verjährt war, ist durch eine vertragliche Ausschlussfrist nicht ausgeschlossen. Weder kann die gesetzliche Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes durch einen Vertrag im Voraus erleichtert werden (§ 202 Abs. 1 BGB) noch kann die Haftung wegen Vorsatzes dem jeweiligen Schuldner im Voraus erlassen werden (§ 276 Abs. 3 BGB).
Rz. 1225
Wird der Schadensersatz wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung, die auf Mobbing des Arbeitgebers zurückgeführt werden kann, begehrt, muss die Kündigung rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist angegriffen werden (LAG Köln v. 10.3.2008 – 14 Sa 1251/07, n.v.).
Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbings kann verwirken. Allerdings genügen dafür ein bloßes "Zuwarten" oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht, wie das BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 838/13 hervorhebt. Ein Unterlassen begründe nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung besteht. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung dürfe nicht auf eventuelle Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Anspruchsgegners abgestellt werden. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung dürfe in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen wird.
bb) Ausübung des Zurückbehaltungsrechts
Rz. 1226
Ein Arbeitnehmer kann berechtigt sein, seine Arbeitsleistung gem. § 273 BGB nach entsprechende...