Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
a) Regelung des § 1051 ZPO
Rz. 204
Für das deutsche Schiedsverfahrensrecht der ZPO regelt § 1051 ZPO, welches Recht auf den materiellen Streitgegenstand im internationalen Verfahren anzuwenden ist. § 1051 Abs. 1 ZPO räumt der Parteivereinbarung den Vorrang ein. Eine Verweisung in einem Vertrag wird dabei als Sachrechtsverweisung aufgefasst (§ 1051 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das bedeutet, dass das Schiedsgericht ohne Anwendung des Kollisionsrechts der Zielrechtsordnung direkt auf das materielle Recht zugreifen kann.
Fehlt eine ausdrückliche Parteiwahl, hat das Schiedsgericht das Recht desjenigen Staates anzuwenden, zu dem der Streitgegenstand die engsten Verbindungen aufweist (§ 1051 Abs. 2 ZPO). Bei der Bestimmung der engsten Verbindung können die Vorschriften der Rom I-VO, insbesondere Art. 4 Rom I-VO, herangezogen werden, das Schiedsgericht ist hierzu aber nicht verpflichtet.
Rz. 205
Das Schiedsgericht hat grds. eine Rechtsentscheidung zu treffen. Eine Entscheidung nach Billigkeit kommt nur infolge einer ausdrücklichen Ermächtigung durch die Partei in Betracht (§ 1051 Abs. 3 ZPO, s.u. Rdn 209). Aus Sicht der Praxis ist aber zu berücksichtigen, dass ein Schiedsspruch grds. nicht wegen eines reinen Rechtsanwendungsfehlers aufgehoben werden kann (s. Rdn 238 ff.). Dies gibt dem Schiedsgericht eine gewisse Freiheit bei der Rechtsfindung, über die ein staatliches Gericht im Instanzenzug nicht in diesem Maße verfügt.
Rz. 206
§ 1051 Abs. 4 ZPO schließlich bestimmt, dass das Schiedsgericht die Vertragsbestimmungen und die ggf. bestehenden Handelsbräuche beachten muss. Allerdings haben zwingende gesetzliche Regelungen auch bei der Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht Vorrang vor abweichenden Vertragsbestimmungen.
b) DIS-SchO und ICC-SchO
Rz. 207
Ähnliche Kollisionsregeln wie § 1051 ZPO enthalten Art. 24 DIS-SchO und Art. 21 ICC-SchO. Auch diese Regelwerke räumen der Parteiautonomie den Vorrang ein. Eine Besonderheit stellt Art. 21.1 ICC-SchO dar, da diese Vorschrift dem Schiedsgericht gestattet, in Abwesenheit einer Parteivereinbarung dasjenige Recht anzuwenden, das es für geeignet (appropriate) hält. Diese Formulierung wird so verstanden, dass das Schiedsgericht eine Kollisionsregel nach freiem Ermessen anwenden und sogar eine eigene Kollisionsregel entwickeln kann. In jedem Fall befreit diese liberale Regelung den Schiedsrichter nicht von der Pflicht, seine Entscheidung nachvollziehbar zu begründen. Im Ergebnis wird der Schiedsrichter daher in der Praxis Argumentationsmuster verwenden, die denen der Bestimmung einer engsten Verbindung zumindest ähneln werden. Einen willkürlichen Zugriff auf eine Rechtsordnung ohne jeglichen Bezug zum Streitgegenstand erlaubt die Vorschrift nicht.