Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
a) Einleitung
Rz. 240
Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruches ist ein Notbehelf, durch den die staatlichen Gerichte die Kontrolle über das schiedsrichterliche Verfahren ausüben. Ziel dieser Gestaltungsklage ist die rückwirkende Aufhebung des Schiedsspruches, genauer die Beseitigung seiner Rechtswirkungen insgesamt. Der Rechtsanwalt der unterlegenen Partei kann den Aufhebungsantrag aber nur innerhalb einer Frist von drei Monaten stellen. Erfolg hat der Antrag nur, wenn einer der in § 1059 ZPO aufgeführten Aufhebungsgründe tatsächlich vorliegt, wofür der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast trägt. Die tatsächlichen und rechtlichen Schranken sind dementsprechend hoch. Damit wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen den staatlichen Kontrollinteressen und den Interessen der Verfahrensbeteiligten an einer weitgehenden Unabhängigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit von staatlicher Einflussnahme herstellen.
b) Statthaftigkeit
Rz. 241
Der Aufhebungsantrag ist statthaft, wenn er sich gegen einen Schiedsspruch eines Schiedsgerichts mit Sitz im Inland richtet.
aa) Vorliegen eines Schiedsspruches
Rz. 242
Der Antrag nach § 1059 ZPO setzt zunächst voraus, dass ein Schiedsspruch vorliegt. Ein Schiedsspruch ist eine Entscheidung des Schiedsgerichts über den Streitgegenstand insgesamt oder einen Teil des Streitgegenstandes. Der Schiedsspruch kann daher entweder den materiell-rechtlichen Streitgegenstand insgesamt oder als Teilschiedsspruch z.T. erledigen. Daneben kann der Schiedsspruch als Prozessschiedsspruch auch die Schiedsklage als unzulässig abweisen. Schließlich ist noch der Schiedsspruch über die Kosten anerkannt.
Rz. 243
Nach der Rspr. des BGH prüft das staatliche Gericht das Vorliegen eines Schiedsspruches von Amts wegen und unabhängig von der Bezeichnung durch das Schiedsgericht. In einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004 hat der BGH den Antrag nach § 1059 ZPO als unstatthaft angesehen, weil die als "Schiedsspruch" bezeichnete Maßnahme von einem Verbandsorgan erlassen wurde, das nicht als Schiedsgericht i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO anzusehen war (vgl. hierzu Rdn 51).
Rz. 244
Gegen diese Rspr. bestehen Bedenken. Das Prinzip der prozessualen Meistbegünstigung spricht dafür, gegen derartige Scheinschiedssprüche – also lediglich als Schiedsspruch bezeichnete Maßnahmen – den Antrag nach § 1059 ZPO im Interesse des effektiven Rechtsschutzes der unterlegenen Partei zuzulassen. Nicht statthaft ist dagegen der Antrag nach § 1059 ZPO gegen Maßnahmen des Schiedsgerichts im laufenden Verfahren, die schon nicht als Schiedssprüche bezeichnet sind. Derartige Verfahrensanordnungen (procedural orders) können nur gemeinsam mit dem Schiedsspruch angefochten werden, wenn die Verfahrensführung durch das Schiedsgericht einen Verfahrensfehler i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d) ZPO darstellt. Auch hier gilt jedoch, dass die formelle Bezeichnung durch das Schiedsgericht das staatliche Gericht nicht bindet. Soweit eine als "Beschluss" (eine "Verfügung" dürfte ähnlich zu behandeln sein) bezeichnete Entscheidung Teile des materiellen Streitgegenstandes abschließend regelt, liegt bei zutreffender Betrachtung ein möglicherweise anfechtbarer Schiedsspruch vor.
bb) Von einem inländischen Schiedsgericht erlassen
Rz. 245
Der Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO ist weiterhin nur statthaft, wenn ein Schiedsspruch eines inländischen Schiedsgerichts vorliegt. Der Schiedsspruch eines ausländischen Schiedsgerichts ist in Deutschland nicht angreifbar. Dies liegt daran, dass Schiedssprüche lediglich in dem Staat angegriffen werden können, in dem das Schiedsgericht seinen Sitz hat.
c) Aufhebungsgründe
aa) Ausnahmecharakter der Norm und enumerativer Katalog der Aufhebungsgründe
Rz. 246
Die Gründe, aus denen ein Schiedsspruch angefochten werden kann, sind in § 1059 Abs. 2 ZPO abschließend aufgezählt. Eine Erweiterung dieses Kataloges ist nicht zulässig. Eine Inzidentprüfung der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht ist nicht statthaft. Das staatliche Gericht kann lediglich das schiedsrichterliche Verfahren überprüfen, nicht aber die Entscheidung in der Sache.
bb) Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
Rz. 247
Die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 ZPO sind nach dem Wortlaut ("wenn der Antragsteller begründet geltend macht") nur auf Rüge hin zu berücksichtigen. Folgende Aufhebungsta...