Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 101
Die Parteien und das Schiedsgericht haben bei der Gestaltung des Verfahrens einen weiten Spielraum. Entsprechend können die Abläufe eines Schiedsverfahrens äußerst unterschiedlich ausfallen. Der grobe Verlauf eines typischen Verfahrens kann wie folgt skizziert werden:
a) Einreichung der Schiedsklage und Konstituierung des Schiedsgerichts
Rz. 102
Zunächst beginnt das Schiedsverfahren in aller Regel durch die Einreichung der Schiedsklage bei der gewählten Schiedsinstitution.
In einer anschließenden Phase werden die Parteien in dem praktischen Regelfall des Dreierschiedsgerichts jeweils einen Schiedsrichter benennen, der noch von einer Institution bestellt werden muss. Der Vorsitzende wird dann üblicherweise entweder durch die Schiedsinstitution oder aber durch die beiden Parteischiedsrichter ernannt. Da es möglich ist, den jeweils von der anderen Partei benannten Schiedsrichter aufgrund berechtigter Zweifel hinsichtlich dessen Unabhängigkeit und Überparteilichkeit abzulehnen, kann schon dieser Verfahrenspunkt in der Praxis u.U. erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.
b) Klärung des weiteren Verfahrensablaufes
Rz. 103
In einem nächsten Verfahrensschritt ist es denkbar, dass das Schiedsgericht den weiteren Verfahrensablauf festlegen und damit auch beschleunigen will. Eine Möglichkeit ist die Vereinbarung sog. Terms of Reference, wie es bei Verfahren auf Grundlage der ICC-SchO üblich ist. In den Terms of Reference werden die wesentlichen sachlichen Streitfragen ebenso wie bedeutende Verfahrensfragen in einer umfassenden Verfahrensvereinbarung festgelegt.
Rz. 104
Eine Alternative zu den Terms of Reference ist die Abhaltung einer Verfahrenskonferenz (sog. Case Management Conference). In einer solchen – nach Art. 27.2 DIS-SchO obligatorischen – Verfahrenskonferenz kommen Parteien und Schiedsgericht in einem sehr frühen Verfahrensstadium zusammen, typischerweise bevor sich die Schiedsbeklagte erstmals zur Sache einlässt. Häufig wird es ausreichend sein, dass die beteiligten Rechtsanwälte in einer Videokonferenz solche Verfahrensdetails, die in der Schiedsvereinbarung nicht festgelegt wurden, sowie erste Termine für den Fortgang des Verfahrens mit dem Schiedsgericht besprechen (vgl. aber Art. 27.3 DIS-SchO, wonach die Parteien grds. teilnehmen sollen). Ein Schiedsgericht kann den Parteien hierzu bereits einen Entwurf der ersten Verfahrensleitenden Verfügung (Procedural Order Nr. 1) zuleiten, um den Parteien eine vorherige Abstimmung zu ermöglichen. In der Verfahrenskonferenz können dann die verbleibenden offenen Themen mit dem Schiedsgericht besprochen werden. Nach Art. 27.4 DIS-SchO soll in der Verfahrenskonferenz außerdem geklärt werden, ob besondere effizienzsteigernde Maßnahmen oder das beschleunigte Verfahren angewendet werden sollen bzw. ob alternative Streitbeilegungsmechanismen sinnvoll erscheinen. Insoweit dient dieser Termin der Kanalisierung der Streitigkeit. Die anschließend durch das Schiedsgericht übermittelte finale Procedural Order Nr. 1 – zusammen mit einem vorläufigen Verfahrenskalender – stellt dann den vorläufigen "Fahrplan" für das Schiedsverfahren dar (vgl. Art. 27.5 DIS-SchO).
c) Austausch von Schriftsätzen, Beweisaufnahme und mündliche Verhandlung
Rz. 105
Sind die Verfahrensfragen geklärt, werden, sofern nicht schon geschehen, die ersten Schrift-sätze ausgetauscht. Je nach weiterem Verlauf des Verfahrens führt das Schiedsgericht dann eine mündliche Verhandlung (ggf. mit Beweisaufnahme) durch, deren Termin üblicherweise bereits in der ersten Case Management Conference festgelegt wird. Es ist aber ebenso vorstellbar, dass überhaupt keine mündliche Verhandlung stattfindet (documents-only arbitration) bzw. das Schiedsgericht zunächst nur schriftlich verhandeln lässt, weil es eine mündliche Verhandlung erst zu einem weiter fortgeschrittenen Zeitpunkt des Verfahrens für sinnvoll hält. Wenn die Parteien eine virtuelle Verhandlung durchführen möchten, ist eine entsprechende ausdrückliche Parteivereinbarung ...