Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 87
Anders als im staatlichen Zivilprozess ist das Verfahren vor einem Schiedsgericht der allgemeinen Öffentlichkeit nicht zugänglich. § 169 GVG findet keine Anwendung, das Verfahren ist nur parteiöffentlich. Zwar könnten die Parteien die Öffentlichkeit des Verfahrens vereinbaren oder bestimmten Einzelpersonen die Teilnahme am Schiedsverfahren gestatten. Es ist aber absolut unüblich, Schiedsverfahren öffentlich durchzuführen. Gerade der Ausschluss der Öffentlichkeit, u.U. ergänzt durch zusätzliche Geheimhaltungsvereinbarungen, gilt als großer Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit.
Rz. 88
Lange Zeit war zudem jedenfalls für internationale Schiedsverfahren die Auffassung vorherrschend, dass alle Aspekte des Schiedsverfahrens grds. als vertraulich zu behandeln sind. Sowohl die Parteien als auch die beteiligten Schiedsrichter sollten nach dieser Auffassung demnach einer besonderen Geheimhaltungspflicht unterliegen. In diesem Kontext ist die in jüngerer Vergangenheit wachsende Bedeutung des Datenschutzes im Schiedsverfahren hervorzuheben. Den Aspekten der Vertraulichkeit und des Datenschutzes gebührt insbesondere bei virtuellen Schiedsverhandlungen besondere Beachtung durch das Schiedsgericht und durch die Parteien (z.B. Wahl einer vertrauenswürdigen Videokonferenz-Plattform).
Rz. 89
Für Verfahren nach deutschem Recht gilt: Es wird allgemein angenommen, dass die Schiedsrichter ebenso wie staatliche Richter zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Als Rechtsgrundlage wird teilweise § 43 DRiG analog oder eine stillschweigende Vereinbarung i.R.d. Schiedsrichtervertrages angenommen. Hinsichtlich der Parteien kann eine Sicherung der Vertraulichkeit des Verfahrens nur aus der vertraglichen Beziehung hergeleitet werden. In der Literatur wird diskutiert, ob insoweit eine stillschweigende, der Schiedsvereinbarung innewohnende Geheimhaltungspflicht der Parteien angenommen werden kann.
Zu beachten ist ferner, dass auch Sachverständige, ggf. durch eine Klausel im Gutachtervertrag, zur Geheimhaltung verpflichtet werden sollten. Gleiches sollte für Zeugen versucht werden, die grds. nicht aus vertraglichen Geheimhaltungspflichten der Parteien verpflichtet sind.
Hinweis
Um dem Interesse der Parteien an Geheimhaltung in der Praxis nachzukommen, sollte jedenfalls dann eine ausführliche und umfassende Geheimhaltungsvereinbarung zwischen den Parteien abgeschlossen werden, wenn ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis besteht. Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt es sich zudem, eine entsprechende Regelung in den Schiedsrichtervertrag und in die Verträge am Verfahren Beteiligter Dritter (z.B. Sachverständige etc.) aufzunehmen. Nur so kann der Gefahr, dass Informationen über das Verfahren in ungewollter Weise nach außen dringen, rechtlich wirkungsvoll begegnet werden.
Rz. 90
Art. 44.1 DIS-SchO enthält bereits eine weit reichende Geheimhaltungsvereinbarung für Parteien und ihre Verfahrensbevollmächtigten, die Schiedsrichter und die Schiedsinstitution. Sofern die Schiedsvereinbarung also die Anwendung der DIS-SchO vorsieht, ist eine (darüber hinausgehende) vertragliche Geheimhaltungsvereinbarung nur notwendig, wenn die Parteien zusätzlich z.B. noch eine Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung vereinbaren wollen. Die ICC-SchO enthält dagegen keine solche Regelung von Geheimhaltungspflichten der Parteien. Das Schiedsgericht kann aber auf Antrag einer Partei Verfügungen zur Wahrung der Vertraulichkeit treffen (Art. 22.3 ICC-SchO).