Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 3
Wie jedes Streitbeilegungsverfahren weist die Schiedsgerichtsbarkeit – je nach Perspektive – Vor- und Nachteile auf. In internationalen Vertragsbeziehungen haben sich Schiedsverfahren gegenüber staatlichen Verfahren aber als vorzugswürdig erwiesen. Der Trend zur Schiedsgerichtsbarkeit hält an und blieb durch die COVID-19-Pandemie ungebrochen. Ausschlaggebend sind vor allem die Neutralität des Forums und die erleichterte Vollstreckbarkeit der Entscheidung in der Sache. Aber auch in nationalen Sachverhalten spielen Schiedsverfahren eine große Rolle, um Streitigkeiten auf "passendere Weise" auszuräumen, als das im staatlichen Gerichtsverfahren möglich wäre. Ganz in diesem Sinne stellen die Schiedsinstitutionen den Parteien spezielle Verfahrensregelungen und -ergänzungen zur Verfügung, die die Bedürfnisse der Nutzer z.B. nach weiterer Beschleunigung oder Rechtssicherheit im gesellschaftsrechtlichen Bereich adressieren. Der Trend zu spezielleren Regeln zeigt sich zudem anhand von sog. soft law, das besondere Themen und Konfliktfelder (z.B. Beweisaufnahmen, Interessenkollisionen beim Schiedsgericht etc.) aufgreift. Die Diskussion bewegt sich hier im Spannungsfeld von (erwünschter) Standardisierung und Vorhersehbarkeit einerseits und (unerwünschter) Reduzierung der Flexibilität des Schiedsverfahrens anderseits.
Rz. 4
Die Entscheidung für ein Schiedsverfahren bzw. für einen anderen Streitbeilegungsmechanismus bedarf einer eingehenden Prüfung im Einzelfall. Auch wenn in internationalen Verfahren im Regelfall eine Schiedsvereinbarung empfehlenswert sein dürfte, können in bestimmten Konstellationen staatliche Gerichtsverfahren oder andere Methoden der alternativen Streitbeilegung vorzugswürdig sein. Diesen Gedanken tragen Bestrebungen zum sog. Konfliktmanagement Rechnung. Nach diesem Ansatz sind alle Streitbeilegungsmechanismen grds. gleichwertig, aber es existiert für jeden konkreten Rechtsstreit ein Streitbeilegungsmechanismus, der die objektiven Interessen der Parteien bestmöglich verwirklicht.
Rz. 5
Aktuell steigt insbesondere die Nachfrage nach Mediation als Methode zur alternativen Streitbeilegung. Im Rahmen einer Mediation streben die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Streitbeilegung an (vgl. § 1 Abs. 1 MediationsG). Im Unterschied zum Schiedsverfahren hat der Mediator somit keine eigene Entscheidungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 MediationsG), sondern es obliegt den Parteien, eine gemeinsame Lösung ihres Konflikts zu finden, wobei der Mediator lediglich vermittelnd tätig wird und für den Prozess zuständig ist. Die Mediation kann einem Schiedsverfahren vorgeschaltet werden, wobei eine entsprechend verfasste Streitbeilegungsregelung als Eskalationsklausel bezeichnet wird. Beispielhaft werden Herausforderungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Anwendungsfelder von Mediation genannt, in denen innovativere Möglichkeiten als etwa im Gerichts- oder Schiedsverfahren möglich nützlich sein könnten. Die im September 2020 in Kraft getretene Singapore Convention on Mediation, die erstmals einen rechtlichen Rahmen für die Anerkennung und Vollstreckung von aus Mediationen resultierenden Vergleichen bietet, könnte zur weiteren Verbreitung der Mediation beitragen.
Rz. 6
Die staatliche Gerichtsbarkeit bemüht sich ebenso, gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit verlorenen Boden wiedergutzumachen. Ein aktuelles Gesetzgebungsvorhabens des Justizministeriums sieht hierzu etwa die Einrichtung sogenannter Commercial Courts bei den Oberlandesgerichten vor. Diese Spezialsenate sollen erstinstanzlich für komplexe Handelsstreitigkeiten mit internationaler Beteiligung zuständig sein, die derzeit vermehrt innerhalb der privaten Schiedsgerichtsbarkeit geführt werden. Verfahren vor den Commercial Courts können mit Einverständnis der Parteien vollständig in englischer Sprache geführt werden. Einstweilen ist indes nicht damit zu rechnen, dass die Schiedsgerichtsbarkeit ihre Stellung als bevorzugte Streitbeilegungsvariante im internationalen Wirtschaftsverkehr einbüßt. Haben sich die Parteien mit guten Gründen für ein Schiedsverfahren entschieden, muss sodann mit gleicher Sorgfalt die Entscheidung für eine bestimmte Institution, die das Schiedsverfahren administriert, getroffen werden, sofern das Verfahren nicht als sog. ad-hoc-Schiedsverfahren durchgeführt werden soll.
Hinweis
Regelmäßig dürfte die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit Vorteile ggü. ad-hoc-Schiedsverfahren aufweisen. Denn sie führt zu erhöhter Rechtssicherheit und schont häufig auch die finanziellen und zeitlichen Ressourcen der Parteien. Der Rechtsanwalt muss aber jeden Einzelfall hinsichtlich der bestmöglichen Variante der Streitbeilegung und deren Modalitäten prüfen, um seiner Pflicht zur umfassenden und zweckmäßigen Beratung gerecht zu werden.