Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 105
Sind die Verfahrensfragen geklärt, werden, sofern nicht schon geschehen, die ersten Schrift-sätze ausgetauscht. Je nach weiterem Verlauf des Verfahrens führt das Schiedsgericht dann eine mündliche Verhandlung (ggf. mit Beweisaufnahme) durch, deren Termin üblicherweise bereits in der ersten Case Management Conference festgelegt wird. Es ist aber ebenso vorstellbar, dass überhaupt keine mündliche Verhandlung stattfindet (documents-only arbitration) bzw. das Schiedsgericht zunächst nur schriftlich verhandeln lässt, weil es eine mündliche Verhandlung erst zu einem weiter fortgeschrittenen Zeitpunkt des Verfahrens für sinnvoll hält. Wenn die Parteien eine virtuelle Verhandlung durchführen möchten, ist eine entsprechende ausdrückliche Parteivereinbarung aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlenswert. Auch ohne entsprechende Parteivereinbarung kann das Schiedsgericht nach seinem Ermessen eine virtuelle Verhandlung anordnen (vgl. Art. 26.1 ICC-SchO), sofern dies im Einzelfall sinnvoll ist (z.B. hoher Aufwand einer Anreise, technische Möglichkeiten der Beteiligten). Im Gegensatz zu Verfahren vor ordentlichen Gerichten ist es zumindest in internationalen Schiedsverfahren durchaus üblich, in der mündlichen Verhandlung den gesamten Prozessstoff noch einmal vor dem Schiedsgericht auszubreiten, zumindest in ausführlichen Eingangs- und Schlussplädoyers (opening und closing statements). Wesentlich häufiger als vor ordentlichen Gerichten kommt es zu intensiven Rechtsgesprächen zwischen Parteien, Prozessbevollmächtigten und Schiedsgericht. Dementsprechend dauern mündliche Verhandlungen in Schiedsverfahren meistens mindestens einen ganzen Tag. Bei umfangreicher Befragung der Zeugen durch die gegnerischen Anwälte (cross examiniation) sind auch mehrere Tage keine Seltenheit.
Rz. 106
Während des Verfahrens ist es möglich und üblich, dass das Schiedsgericht durch den Erlass von (weiteren) Prozessverfügungen (Procedural Orders) in den Verfahrenslauf eingreift, z.B. um die Vorlage von wichtigen Dokumenten durch die Parteien anzuordnen.