Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
aa) Folgen der Säumnis im Schiedsverfahren
Rz. 161
Die Konsequenzen der Säumnis einer Partei sind im Schiedsverfahren grds. milder als bei einem Verfahren vor ordentlichen Gerichten. Dennoch ist die Säumnis der Parteien auch im Schiedsverfahren nicht völlig folgenlos. In § 1048 ZPO sind einige typische Säumnissituationen geregelt, andere Fälle der Säumnis sollen nach den Vorschriften des Zehnten Buches der ZPO keine Konsequenzen haben. Besonders hervorzuheben ist, dass die Säumnis keine Zugeständnisfiktion (§ 138 Abs. 3 ZPO) bzgl. tatsächlicher Behauptungen nach sich zieht (vgl. § 1048 Abs. 2 ZPO; Art. 30 DIS-SchO).
(1) Säumnis bei Klageeinreichung und Schiedsklageerwiderung
Rz. 162
Die ungenügend entschuldigte Säumnis bei der Klageeinreichung, d.h. die Versäumung der Einreichung der Klage innerhalb einer vereinbarten oder vom Schiedsgericht festgelegten Frist, führt nach § 1048 Abs. 1 und § 1056 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO zur Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens.
Rz. 163
Für den Fall der Säumnis des Beklagten bei der Schiedsklageerwiderung wird das Schiedsgericht regelmäßig nach § 1048 Abs. 2 ZPO das Verfahren fortsetzen, ohne die mangelnde Einlassung des Schiedsbeklagten als Zugeständnis der Behauptungen des Schiedsklägers aufzufassen. Das Schiedsgericht kann aber das Schweigen des Schiedsbeklagten würdigen. § 1048 Abs. 2 ZPO soll lediglich sicherstellen, dass kein Stillstand des Verfahrens eintritt.
(2) Säumnis i.R.d. mündlichen Verhandlung und der Dokumentenvorlage
Rz. 164
Ist eine Partei des Schiedsverfahrens in der mündlichen Verhandlung säumig, so kann das Schiedsgericht das Verfahren ohne Weiteres fortsetzen und nach § 1048 Abs. 3 ZPO einen Schiedsspruch auf der Grundlage des gesamten bisherigen Verhandlungsstoffes erlassen. Gleiches gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch, wenn eine Partei eine Frist zur Vorlage eines Dokumentes versäumt. Das Schiedsgericht kann eine trotz Anordnung unterbliebene Vorlage von Dokumenten im Rahmen der Beweiswürdigung würdigen. Es darf dabei auch unterstellen, dass das Dokument den Inhalt hat, den die Gegenseite behauptet.
(3) Entschuldigung der Säumnis
Rz. 165
Allen hier geschilderten Säumnissituationen ist gemeinsam, dass das Schiedsgericht bei genügender Entschuldigung der Säumnis von den in § 1048 ZPO genannten Konsequenzen Abstand nimmt (vgl. § 1048 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Die Vorschrift ist eine der wenigen Regelungen des deutschen Schiedsverfahrensrechts, die von den Parteien nicht abdingbar ist. Die besondere Bedeutung der Entschuldigungsmöglichkeit folgt aus dem gesetzlich geschützten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Unter diesem Gesichtspunkt ist eindeutig, dass der Partei Gelegenheit gegeben werden muss, zu ihrer Säumnis Stellung zu nehmen.
bb) Präklusion im Schiedsverfahren
Rz. 166
Grds. kennt das deutsche Schiedsverfahrensrecht neben den im vorigen Abschnitt geregelten Konsequenzen für die Säumnis der Parteien keinen strengen Grundsatz einer Präklusion des Vorbringens einer Partei. Außerhalb der in § 1048 ZPO geregelten Fälle ist hinsichtlich geänderter Angriffs- und Verteidigungsmittel die Verspätungsregel in § 1046 Abs. 2 ZPO zu beachten. Auch hier ist großzügig eine nicht genügende Entschuldigung einer Verspätung nur bei grob nachlässigen Verstößen gegen die Verfahrensförderungspflicht oder eine vom Schiedsgericht gesetzte Frist anzunehmen. Grds. ist im Schiedsverfahren die Einführung neuer Beweismittel und neuen Tatsachenvortrags in einem späteren Verfahrensabschnitt möglich. Sofern die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben, liegt die Beurteilung verspäteten Vorbringens allein im Verfahrensermessen des Schiedsgerichts. Eine Ausnahme enthält insoweit § 1040 Abs. 2 ZPO, der festlegt, dass eine Zuständigkeitsrüge spätestens mit der Schiedsklageerwiderung vorzubringen ist. Der Einwand der Befangenheit eines Schiedsrichters kann nur bis zum Erlass des Schiedsspruchs erhoben werden (s. bereits Rdn 143).
Rz. 167
Sowohl die DIS-SchO als auch die ICC-SchO sehen die Möglichkeit vor, dass das Schiedsgericht das Schließen des Verfahrens anordnen kann. Das Schließen des Verfahrens auf Grundlage der ICC-SchO hat zur Folge, dass die Parteien weder neue Schriftsätze einreichen noch überhaupt weitere Erklärungen abgeben oder Beweise einbringen können. Üblich ist, dass das Schiedsgericht den Parteien eine angemessene Vorwarnfrist für die beabsichtigte Schließung des Verfahrens setzt. Nach Art. 31 DIS-SchO dürfen Schriftsätze oder Beweismittel nur noch mit Einwilligung des Schiedsgerichts eingereicht werden, nachdem dieses das Verfahren für geschlossen erklärt hat. Voraussetzung für die Anwendung von Art. 31 DIS-SchO ist dabei nicht, dass der Streit schon entscheidungsreif ist. Denkbar ist ferner, dass das Schiedsgericht im Rahmen einer Bestandsaufnahme prüft...