Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 257
Die in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genannten Gründe erstrecken sich auf die fehlende objektive Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes (vgl. Rdn 259), sowie den Verstoß gegen den ordre public (vgl. Rdn 260).
Rz. 258
Im Gegensatz zu den in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO enthaltenen Tatbeständen sind diese Gründe von Amts wegen zu berücksichtigen und zwar auch nach Ablauf der Antragsfrist des § 1059 Abs. 3 ZPO, da es sich um zwingende Aufhebungsgründe im öffentlichen Interesse handelt.
(1) Fehlende objektive Schiedsfähigkeit
Rz. 259
Wenn der Streitgegenstand nach deutschem Recht nicht schiedsfähig ist, muss der Schiedsspruch zwingend aufgehoben werden. Da in diesen Fällen eine dem deutschen Recht unterliegende Schiedsvereinbarung unwirksam ist, erhält diese Vorschrift in folgenden Konstellationen eine eigenständige Bedeutung:
▪ |
Der Antragsteller rügt den Fehler der Schiedsvereinbarung nicht ausdrücklich, sodass das Gericht § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO nicht anwenden kann oder |
▪ |
der Antragsteller hat die Antragsfrist von drei Monaten nach § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO versäumt oder |
▪ |
die Schiedsvereinbarung unterliegt – z.B. kraft ausdrücklicher Parteiwahl – einem ausländischen Recht, nach dem der Streitgegenstand objektiv schiedsfähig war. |
(2) Ordre public
Rz. 260
§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO enthält den sog. allgemeinen Staatsvorbehalt. Die dogmatische Struktur des Vorbehaltes des ordre public ist in den Einzelheiten umstritten. Differenziert wird u.a. zwischen nationalem und internationalem ordre public sowie zwischen verfahrensrechtlichem und materiell-rechtlichem ordre public. Zum verfahrensrechtlichen ordre public gehört insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör. Hingegen kann nicht allein die falsche Rechtsanwendung zur Aufhebung führen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Umsetzung der Rechtsfolgenanordnung in dem Schiedsspruch zu einer nach den Wertungsmaßstäben des Inlandes unerträglichen Situation führt.
Rz. 261
Gegen die öffentliche Ordnung verstößt ein Schiedsspruch insb., wenn er zu einer verbotenen Handlung verurteilt. Gleiches gilt, wenn ein Schiedsspruch zu einer unmöglichen Leistung verurteilt. Die Höhe der in einem Schiedsspruch angeordneten Vertragsstrafe kann ebenso sittenwidrig sein und damit den ordre public verletzen.
Zum materiell-rechtlichen ordre public gehören auch die zentralen Normen des deutschen und europäischen Kartellrechts, darunter insbesondere das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gem. §§ 19, 20, 21 GWB und Art. 102 AEUV. Umstritten ist, welchen Kontrollumfang ein staatliches Gericht bei der Überprüfung von kartellrechtlichen Schiedssprüchen ausüben kann. Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2022 verstößt ein Schiedsspruch bereits dann gegen den ordre public, wenn er auf einer fehlerhaften Anwendung von §§ 19–21 GWB beruht. Diese Verbote gehörten nach dem BGH zu den grundlegenden Normen des Kartellrechts, weshalb eine Beschränkung der gerichtlichen Prüfung auf offensichtliche Verstöße nicht in Betracht komme. Vielmehr gelte in diesen Fällen das Verbot der révision au fond nicht. Eine Entscheidung des EuGH zu dieser Problematik, mit der den Mitgliedstaaten ein einheitlicher Kontrollmaßstab vorgegeben werden könnte, steht noch aus.