Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 136
Der Auswahl der parteibenannten Schiedsrichter kommt eine sehr hohe Bedeutung zu. Die detaillierten Regelungen der Schiedsverfahrensordnungen und des Schiedsverfahrensrechts zur Bestellung und Ablehnung von Schiedsrichtern unterstreichen die große Relevanz für Ablauf und Ausgang des Schiedsverfahrens.
Die Möglichkeit der Parteien, das Verfahren selbst zu gestalten, wird als maßgeblicher Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit ggü. Verfahren vor staatlichen Gerichten angesehen (vgl. bereits Rdn 7 f., ferner Rdn 170, 180). Dabei schwingt bei den beteiligten Parteien immer die Vorstellung und Hoffnung mit, der innerhalb eines Dreierschiedsgerichts von ihnen vorgeschlagene Schiedsrichter sei letztlich "ihr Schiedsrichter". Die Frage, inwieweit diese Vorstellung zutrifft und ob ein Schiedsrichter trotz engerer Bindung an die Partei, die ihn vorgeschlagen hat, noch unabhängig und unparteiisch ist, gehört zu den am heftigsten diskutierten Fragen in Zusammenhang mit diesem Verfahrensabschnitt. Auch für den parteibenannten Schiedsrichter ist es unerlässlich, unabhängig und unparteiisch zu sein und zu bleiben. Dies entspricht den gesetzlichen Anforderungen, aber ebenso praktischer Notwendigkeit. Denn ein parteiischer parteibenannter Schiedsrichter wird bei den Beratungen des Schiedsgerichts schnell isoliert sein und deshalb den Interessen "seiner" Partei eher schaden als nutzen. Dies vorausgeschickt darf und soll ein parteibenannter Schiedsrichter durchaus darauf achten, dass die Argumente "seiner" Partei in den Beratungen des Schiedsgerichts gewürdigt und abgewogen werden. Damit tragen die parteibenannten Schiedsrichter auch dazu bei, dass den Parteien rechtliches Gehör gewährt wird. Wichtig ist aber, dass die Grenze zur Einseitigkeit nicht überschritten wird. Der Schiedsrichter ist unter keinen Umständen Interessenvertreter der benennenden Partei im Schiedsgericht.
Rz. 137
Die Schiedsrichter müssen eine Unabhängigkeitserklärung abgeben und dabei alle Umstände offen legen, die gegen ihre Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit sprechen. Im ICC-Verfahren müssen sie z.B. ein Formblatt ausfüllen, auf dem sie ihre Beziehungen zu den Parteien offenlegen. Darüber hinaus haben die Schiedsrichter eine sog. "Declaration of Independence" abzugeben. Hierdurch wird Transparenz hergestellt. Die Parteien werden frühzeitig über mögliche Ablehnungsgründe informiert, die in der Beziehung zwischen Schiedsrichter und Partei angelegt sind. Dadurch wird die Neutralität des Schiedsverfahrens bei Einsetzung eines Dreierschiedsgerichts gesichert.
Rz. 138
Parteien wählen in aller Regel, einen Schiedsrichter aus, der ihrer Position nicht offensichtlich ablehnend gegenübersteht. Im Vordergrund stehen bei der Schiedsrichterauswahl allerdings die Erfahrungen des potentiellen Schiedsrichters mit Fällen in dem betroffenen Gebiet, sowohl in Bezug auf das praktische Wissen als auch in Bezug auf die Kenntnis des materiellen Rechts. Bei Verfahren mit Parteien unterschiedlicher Nationalität können zudem Faktoren wie die Herkunft und Nationalität sowie die Sprachkenntnisse des Schiedsrichters eine Rolle spielen. Diversity-Anforderungen gewinnen ebenfalls an Bedeutung bei der Schiedsrichterauswahl. Obwohl es keine festgeschriebene Anforderung in diese Richtung gibt, ist es üblich, dass als Schiedsrichter Juristen bestellt werden. Richter können in Deutschland allerdings nur eingeschränkt als Schiedsrichter benannt werden, weshalb überwiegend Rechtsanwälte und Professoren Schiedsrichterämter übernehmen.