Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
I. Unterstützung und Kontrolle durch staatliche Gerichte
Rz. 217
Das Verhältnis zwischen der Zuständigkeit des Schiedsgerichts und des staatlichen Gerichts lässt sich durch zwei Begriffe beschreiben: Maßnahmen der Unterstützung (court assistance) auf der einen Seite und Maßnahmen der Kontrolle (court control) auf der anderen Seite.
Rz. 218
Zwar haben die Parteien die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des materiellen Streitgegenstandes durch die Schiedsvereinbarung allein und unter Ausschluss der staatlichen Zuständigkeiten dem Schiedsgericht zugewiesen. Dennoch sieht das deutsche Schiedsverfahrensrecht an zahlreichen Stellen Zuständigkeiten der staatlichen Gerichte vor.
Rz. 219
Der Hintergrund des ausbalancierten Mechanismus der Unterstützungs- und Kontrollbefugnisse ist der private Charakter der Schiedsgerichtsbarkeit. Auch wenn die Schiedsgerichte Rechtsprechungsaufgaben übernehmen, verliert die Schiedsgerichtsbarkeit dadurch nicht ihre privatrechtliche Prägung. Daher fehlen den Schiedsgerichten einerseits die staatlichen Zwangsbefugnisse. Damit die Schiedsgerichtsbarkeit tatsächlich die Rechtsprechungsfunktion übernehmen kann, muss das staatliche Recht dem Schiedsgericht bzw. den Parteien Zugang zu Unterstützungsmaßnahmen bei den staatlichen Gerichten einräumen. Andererseits werden die Schiedsgerichte innerhalb des staatlichen Gewaltmonopols tätig. Deshalb steht die Übertragung von Rechtsprechungsaufgaben auf die Schiedsgerichte unter dem Vorbehalt, dass das Schiedsverfahren rechtsstaatliche Mindestanforderungen einhält. In diesem Sinne bedarf es einer gerichtlichen Kontrolle der schiedsrichterlichen Tätigkeit, bevor Schiedssprüche und andere Maßnahmen des Schiedsgerichts mit den Instrumentarien des Staates zwangsweise durchgesetzt werden.
Rz. 220
Während des laufenden Verfahrens steht die Unterstützung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht im Vordergrund (vgl. Rdn 222 ff.), obwohl einzelne Kontrollbefugnisse bestehen (vgl. Rdn 228 ff.). Daneben ist auch die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch staatliche Gerichte in zahlreichen Fällen relevant (vgl. Rdn 236 f.). Ein weiterer wichtiger Bereich der Schiedspraxis ist die Kontrolle des Schiedsspruches durch die staatlichen Gerichte nach dem Abschluss des Schiedsverfahrens (vgl. Rdn 238 ff.).
II. Unterstützungs- und Kontrollmaßnahmen während des laufenden Schiedsverfahrens
Rz. 221
Während des laufenden Schiedsverfahrens räumt das Schiedsverfahrensrecht den staatlichen Gerichten überwiegend Kompetenzen für Unterstützungsmaßnahmen ein. Kontrollbefugnisse bestehen jedoch ebenfalls, auch wenn ihre praktische Bedeutung hinter den Unterstützungsmaßnahmen zurückbleibt. Während des andauernden Schiedsverfahrens soll das staatliche Gericht den Parteien eine effiziente Durchführung des Verfahrens ermöglichen. Nach dem geltenden Recht findet eine Überprüfung des Verfahrens erst nach Erlass des Schiedsspruches im Rahmen eines Aufhebungs- oder Exequaturverfahrens statt.
1. Unterstützungsmaßnahmen
Rz. 222
Der Zugang zu den staatlichen Gerichten während des laufenden Schiedsverfahrens wird den Parteien an mehreren Stellen eröffnet. So kann z.B. eine Partei im Konstituierungsverfahren das staatliche Gericht anrufen, wenn die Schiedsvereinbarung der Gegenpartei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht gibt, das sie benachteiligt (§ 1034 Abs. 2 ZPO). Das staatliche Gericht kann dann entgegen der Schiedsvereinbarung einen anderen Schiedsrichter bestellen. Gem. § 1034 Abs. 2 Satz 2 ZPO muss der Antrag innerhalb von zwei Wochen gestellt werden, nachdem der beschwerten Partei die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bekannt gegeben worden ist.
Rz. 223
Soweit die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung überhaupt kein Verfahren zur Konstituierung des Schiedsgerichts vereinbart haben, wird gem. § 1035 Abs. 3 ZPO das staatliche Gericht auf Antrag einer Partei einen Einzelschiedsrichter bestellen. Das staatliche Gericht unterstützt die Parteien auch bei der Konstituierung eines Dreierschiedsgerichts, wenn sich eine Partei nicht an dem Bestellungsverfahren beteiligt oder aber sich die parteibestellten Schiedsrichter nicht auf einen Vorsitzenden einigen können. In diesen Fällen eröffnet § 1035 Abs. 3, Abs. 4 ZPO die Möglichkeit, das Bestellungsverfahren auf Antrag einer Partei mithilfe des zuständigen OLG abzuschließen (s. bereits oben Rdn 75 ff.).
Rz. 224
Nach Konstituierung des Schiedsgerichts kann eine Partei bei dem staatlichen Gericht beantragen, die Beendigung des Amtes eines Schiedsrichters auszusprechen, wenn der Schiedsrichter sein Amt aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht ausüben kann oder nicht ausübt und trotzdem sein Amt nicht niederlegt (§ 1038 Abs. 1 ZPO). Die gerichtliche Entscheidung führt nur zum Ende des schiedsrichterlichen Mandats und beendet das Schiedsverfahren nicht. Im Anschluss daran ist deshalb ein Ersatzschiedsrichter gem. § 1039 ZPO zu bestellen.
Rz. 225
Eine weitere Möglic...