Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 16
Die Grundform des Schiedsverfahrens ist die sog. ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit. Hierbei einigen sich die Parteien auf einen (oder mehrere) neutralen Dritten, der den Streit ohne Einbindung einer konkreten Schiedsinstitution entscheiden soll. Häufig vereinbaren die Parteien in dieser Konstellation auch die Anwendung der UNCITRAL Schiedsregeln. Ad-hoc-Schiedsverfahren bieten den größten Gestaltungsspielraum, erfordern aber deutlich erhöhten Ressourceneinsatz im Vergleich zum institutionellen Schiedsverfahren. Sie sind in stärkerem Maße anfällig für Obstruktionstaktiken (sog. guerrilla tactics) als institutionell betreute und überwachte Schiedsverfahren.
Rz. 17
In der Praxis werden Schiedsverfahren überwiegend unter Beteiligung einer Schiedsinstitution durchgeführt. In Deutschland ist die führende Institution die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS). In internationalen Verfahren werden häufig Schiedsvereinbarungen zugunsten der Zuständigkeit von Schiedsgerichten der International Chamber of Commerce (ICC) in Paris getroffen. Es existieren zahlreiche weitere lokale und internationale Institutionen. In den letzten drei Jahren sind insbesondere die Fallzahlen von asiatischen Schiedsinstitutionen (z.B. SIAC in Singapur, HKIAC in Hong Kong) und damit auch die Bedeutung Asiens als Schiedsstandort stark gewachsen.
Rz. 18
Am 1.3.2018 ist die DIS-Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) in ihrer aktuellen Fassung in Kraft getreten. Sie gilt für alle Schiedsverfahren, die ab diesem Tag eingeleitet wurden, wenn die zugehörige Schiedsvereinbarung dynamisch auf die DIS-Schiedsgerichtsordnung verweist. Ziele der Reform waren die Steigerung von Zeit- und Kosteneffizienz sowie die weitere Internationalisierung der DIS. Außerdem sollten Transparenz und Vorhersehbarkeit im Schiedsverfahren verbessert werden. Darüber hinaus wurde die Rolle der DIS als Institution im Schiedsverfahren zur Qualitätssicherung aktiver ausgestaltet.
Rz. 19
Zum 1.1.2021 trat die aktuell gültige Fassung der Schiedsgerichtsordnung der ICC (ICC-SchO) in Kraft, die gegenüber den zuvor geltenden Schiedsordnungen aus 2012 und 2017 nur punktuelle Veränderungen herbeigeführt hat. Hauptziel der Reform ist wie in den Vorjahren die Steigerung der Effizienz, Transparenz und Flexibilität von ICC-Schiedsverfahren. Hervorzuheben sind insofern die Einführung einer Pflicht der Parteien zur Offenlegung einer Prozessfinanzierung durch Dritte (Third-Party Funding) gem. Art. 11.7 ICC-SchO sowie die Befugnis des Schiedsgerichts, nach einem Wechsel des Parteivertreters den neuen Parteivertreter zur Vermeidung von Interessenkonflikten auszuschließen (Artt. 17.1, 17.2 ICC-SchO). Zudem sieht die Reform Erleichterungen für die 2012 eingeführten Mehrparteienschiedsverfahren und eine verstärkte Anwendung der 2017 eingeführten Regeln für das beschleunigte Verfahren vor. Die Reform kodifiziert die flexible ICC-Praxis zur Bewältigung pandemiebedingter Einschränkungen. So kann das Schiedsgericht gem. Art. 26.1 ICC-SchO die Durchführung einer virtuellen Verhandlung z.B. in Form einer Video- oder Telefonkonferenz anordnen.
Rz. 20
Spezialisierte Institutionen übernehmen administrative Aufgaben bei der Durchführung eines Schiedsverfahrens und führen in unterschiedlichem Umfang Qualitätssicherungsmaßnahmen durch. Die Schiedsklage wird bei der Institution eingereicht. Ein Gremium innerhalb der Institution – z.B. das Sekretariat des ICC-Schiedsgerichtshofs oder das DIS-Case Management Team – übernimmt dann das Verfahren und begleitet die Konstituierung des Schiedsgerichts bis zur Übergabe des Vorganges an das Schiedsgericht. Die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben der Institution hängen von den Regeln der jeweiligen Institution ab. So überprüft bspw. der ICC-Schiedsgerichtshof gem. Art. 34 ICC-SchO einen Schiedsspruch auf formale Fehler, bevor er den Parteien übermittelt wird. Außerdem darf der Schiedsgerichtshof auf Punkte hinweisen, die den sachlichen Inhalt des Schiedsspruches betreffen (sog. scrutiny of the award). Bei der DIS gibt es seit der Reform eine auf formale Fehler beschränkte Durchsicht des Schiedsspruchs (sog. scrutiny light).
Rz. 21
Ein wesentlicher Vorteil der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit liegt darin, dass eine vorgefertigte, erprobte und regelmäßig neuen Entwicklungen angepasste Verfahrensordnung vorliegt, deren Anwendbarkeit durch die Bezugnahme auf die Institution grds. mitvereinbart wird. Die Institution ist mit Personal und Sachmitteln so ausgestattet, dass auch Großverfahren reibungslos durchgeführt werden können. Darüber hinaus unterstützt die Institution die Parteien bei der Auswahl geeigneter Personen als Schiedsrichter. Schließlich sind institutionelle Verfahrensordnungen mit ihren Musterklauseln einfach in Vertragstexte zu inkorporieren.
Rz. 22
Mit einem ad-hoc-Schiedsverfahren können zwar die Kosten für die Institution – die bei institutionellen Schiedsverfahren neben den Schiedsrichterhono...