Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 189
Nach der Reglung des § 1041 ZPO hat das Schiedsgericht die Möglichkeit, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes anzuordnen. Dieser Weg besteht grds. gleichrangig und parallel zu dem einstweiligen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten nach § 1033 ZPO. Art. 25 DIS-SchO und Art. 28 ICC-SchO enthalten ähnliche Ermächtigungen für das Schiedsgericht.
1. Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im Schiedsverfahren
Rz. 190
Das Schiedsgericht kann als Maßnahmen auf Arrest und einstweilige Verfügung aus dem Repertoire der ZPO zurückgreifen, aber auch andere Maßnahmen anordnen. So hat das Schiedsgericht insb. die Option, Verfügungsverbote zu erlassen (sog. freezing orders). Denkbar ist es ferner, ein selbstständiges Beweisverfahren in Anwendung von § 1041 ZPO durchzuführen. Diese Flexibilität stellt einen der Hauptvorteile des schiedsrichterlichen Verfahrens zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes dar. Gleichzeitig hat der einstweilige Rechtsschutz durch Schiedsgerichte strukturelle Schwächen: Vor Einleitung des Hauptsacheverfahrens ist das Schiedsgericht noch nicht konstituiert und kann daher keinen einstweiligen Rechtsschutz gewähren. Außerdem bedarf jede einstweilige Maßnahme eines Schiedsgerichts der Anerkennung und Vollstreckung durch staatliche Gerichte bzw. Vollstreckungsorgane. Hiermit ist Zeitverlust verbunden, der den Zweck einstweiliger Maßnahmen vereiteln kann.
Rz. 191
Im Gegensatz zu einem Verfahren vor ordentlichen Gerichten steht die Entscheidung, ob das Schiedsgericht eine Maßnahme erlässt, im Ermessen des Schiedsgerichts. I.Ü. wird verbreitet angenommen, dass das Schiedsgericht bei Anordnung einer einstweiligen Maßnahme die Zulässigkeit und Reichweite der §§ 916 ff. ZPO insb. unter Berücksichtigung der Vollziehbarkeit heranzuziehen hat. Ferner hat das Schiedsgericht nach § 1041 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Option, eine angemessene Sicherheit für die Maßnahme zu verlangen. Denkbar ist z.B., einstweilige Maßnahmen unter dem Vorbehalt vorheriger Sicherheitsleistung anzuordnen.
2. Verfahren vor dem Schiedsgericht
Rz. 192
Kontrovers diskutiert wird, ob das Schiedsgericht einstweilige Maßnahmen i.S.d. § 1041 ZPO ohne Anhörung der Parteien erlassen kann. Aufgrund der Bedeutung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs wird man davon ausgehen müssen, dass beide Parteien im Verfahren – nicht zwingend in Form einer mündlichen Verhandlung – zu hören sind, ggf. aber erst unmittelbar nach Anordnung der Maßnahme, wenn der Zweck sonst gefährdet würde.
Rz. 193
Diskutiert wird ferner, ob das Schiedsgericht i.R.d. § 1041 ZPO durch einen Beschluss oder einen Schiedsspruch tätig wird. Denkbar ist sowohl der Erlass eines Schiedsspruches als auch der Erlass eines Beschlusses. Erlässt das Schiedsgericht einen Schiedsspruch, richtet sich die Vollstreckung des Schiedsspruches nach den allgemeinen Vorschriften. Das Verfahren nach § 1041 Abs. 2 ZPO, das nachstehend geschildert wird, findet dann keine Anwendung.
Hinweis
Hauptproblem des einstweiligen Rechtsschutzes durch Schiedsgerichte ist der Umstand, dass dieser regelmäßig zu Beginn des Rechtsstreites erforderlich wird, wenn das Schiedsgericht noch nicht konstituiert ist. Ein Schiedsgericht kann daher nur im laufenden Verfahren Rechtsschutz gewähren. Aus diesem Grund werden die Parteien trotz der Regelung des § 1041 ZPO häufig auf die staatlichen Gerichte zurückgreifen müssen (vgl. aber Art. 29 ICC-SchO zum sog. Emergency Arbitrator, Rdn 201).