Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 197
Schiedsverfahren sind regelmäßig schneller beendet als staatliche Gerichtsverfahren. Dies liegt insb. an dem Umstand, dass der Rechtsstreit im Schiedsverfahren in nur einer Instanz beigelegt wird. Obwohl im Schiedsverfahren noch die Möglichkeit eines Aufhebungsantrages besteht bzw. der Schiedsspruch nach Abschluss des Schiedsverfahrens ggf. von einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt werden muss, spart ein Schiedsverfahren im Ergebnis regelmäßig Zeit (vgl. Rdn 11).
Rz. 198
Bei einigen Streitgegenständen reicht diese Zeitersparnis aus Sicht der Beteiligten nicht aus. Die Parteien sehen hier das Bedürfnis nach weiterer Beschleunigung des Schiedsverfahrens (sog. "fast-track arbitration"). Hierzu gehören etwa Streitigkeiten nach einem Unternehmenskauf über closing-Bedingungen, Interbankenstreitigkeiten mit bank- oder börsenrechtlichem Bezug und der Anlagenbau. Großer Zeitdruck besteht regelmäßig ebenso in Lieferkettenstreitigkeiten. Im Folgenden werden die verfahrensbeschleunigenden Regelungen der DIS und der ICC näher dargestellt, aber auch andere Schiedsordnungen enthalten Regelungsmöglichkeiten zur Beschleunigung.
Rz. 199
Um besonderem Beschleunigungsinteresse gerecht zu werden, enthält die DIS-SchO in Anlage 4 Regeln für ein beschleunigtes Verfahren. Bei der Durchführung des Schiedsverfahrens steht dann das Beschleunigungsinteresse im Vordergrund, insb. ist der Schiedsspruch grds. spätestens sechs Monate nach Abschluss der Verfahrenskonferenz zu erlassen (Artt. 1, 2 Anlage 4 DIS-SchO). Darüber hinaus findet nur eine mündliche Verhandlung statt und die Anzahl der Schriftsätze ist begrenzt (Artt. 3, 4 Anlage 4 DIS-SchO). Der Anspruch der Parteien auf umfassendes rechtliches Gehör und die Beschleunigungsmaxime können bei einem derartigen Schiedsverfahren durchaus in ein Spannungsfeld geraten. Die Entscheidung für ein beschleunigtes Verfahren in der Schiedsvereinbarung will daher wohl überlegt sein, denn insbesondere der Beklagte wird sich im Verfahren erhöhtem Druck ausgesetzt sehen. Im Ergebnis ist daher abzuwägen, ob das Beschleunigungsinteresse ("need for speed") tatsächlich das Interesse an einer gründlichen Aufarbeitung des Streitstoffes durch Schiedsgericht und Parteien überwiegt. Die Vereinbarung kurzer Fristen birgt immer die Gefahr einer Rüge des fehlenden rechtlichen Gehörs im Verfahren vor staatlichen Gerichten. Alternativ kann die Geltung dieser Regeln erst in der Verfahrenskonferenz vereinbart werden (Art. 27.4 (ii) DIS-SchO). Allgemein gibt es das Risiko, dass Schiedssprüche auch bei geringfügigen Überschreitungen der maximalen Entscheidungsfrist nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d) ZPO aufhebbar sein können.
Die in Anlage 3 DIS-SchO wiedergegebenen Maßnahmen zur Verfahrenseffizienz, über deren Anwendung ebenfalls in der Verfahrenskonferenz zu sprechen ist (Art. 27.4 (i) DIS-SchO), können dem Beschleunigungsinteresse der Parteien ebenfalls und ggf. zusätzlich dienen. Hierzu gehören etwa Beschränkungen der Schriftsatzrunden und des Umfangs der Schriftsätze, Regeln zur Beweisaufnahme und Dokumentenvorlage oder der teilweisen Beendigung des Schiedsverfahrens durch Teilschiedssprüche.
Rz. 200
Die ICC-SchO sieht in Art. 30 ein beschleunigtes Verfahren vor, das durch die gesonderte Verfahrensordnung für beschleunigte Verfahren in Anhang VI ergänzt wird. Diese Regelungen finden grds. einerseits Anwendung, wenn die Parteien dies vereinbaren, anderseits aber auch, wenn der Streitwert US$ 2 Mio. (bzw. bei Abschluss der Schiedsvereinbarung seit dem 1.1.2021 US$ 3 Mio.) nicht übersteigt (Art. 30.2 lit. a) i.V.m. Art. 1.2 Anhang VI ICC-SchO). Wird die Streitwertgrenze nicht erreicht, ist somit ein opt-out erforderlich (Art. 30.3 lit. b) ICC-SchO). Das beschleunigte Verfahren kann vor Bildung des Schiedsgerichts im Übrigen noch ausgeschlossen werden, wenn eine Partei dies mit der Begründung beim Schiedsgerichtshof beantragt, die Anwendung des beschleunigten Verfahrens sei nicht sachdienlich oder der Schiedsgerichtshof dies von sich aus feststellt (Art. 30.3 lit. c) ICC-SchO). Hinsichtlich des beschleunigten Verfahrens unter der ICC-SchO ist insbesondere hervorzuheben, dass trotz einer anderslautenden Schiedsvereinbarung ein Einzelschiedsrichter ernannt werden kann (Art. 2.1 Anhang VI ICC-SchO). Die Verfahrenskonferenz hat binnen 15 Tagen nach Übergabe der Akten an das Schiedsgericht stattzufinden (Art. 3.3 Anhang VI ICC-SchO) und das Schiedsgericht kann nach Anhörung der Parteien nach Aktenlage ohne mündliche Verhandlung entscheiden (Art. 3.5 Anhang VI ICC-SchO). Der Schiedsspruch muss grds. binnen sechs Monaten nach der Verfahrensmanagementkonferenz erlassen werden (Art. 4.1 Anhang VI ICC-SchO).
Hinweis
Die ICC-SchO unterstellt, dass Schiedsverfahren unterhalb der Streitwertgrenze weniger komplex sind und damit grds. anders als oberhalb der Grenze liegende Verfahren geführt werden können. Die Parteien müssen bei Abschluss der Schiedsvereinbarung deshalb ...