Rz. 1

Bei jeder Vereinbarung zwischen Ehegatten sind die von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze zur Wirksamkeit von Eheverträgen[1] zu beachten (siehe Rdn 26).

Die vom BGH hierfür gewählte Aussage ist, dass ein Ehevertrag im Rahmen einer an der Kernbereichslehre ausgerichtete Inhalts- und Ausübungskontrolle darauf überprüft werden müsse, ob durch die getroffenen Regelungen "eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entsteht, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint".[2]

[1] Ausführlich Jüdt, FuR 2014, 95 ff., Jüdt, FuR 2020, 572.

I. Motive für den Abschluss von Eheverträgen

 

Rz. 2

Der BGH[3] verlangt bei der Wirksamkeitskontrolle (dazu näher Rdn 26) eine Gesamtwürdigung des Ehevertrages unter Berücksichtigung der von den Vertragsschließenden verfolgten Zwecke.

Für die Ermittlung der Vorstellungen der Ehegatten sind die folgenden Punkte von Bedeutung:[4]

Wird der Ehevertrag vor oder kurze Zeit nach der Heirat geschlossen oder aber nach längerer Ehedauer? Ist der Ehevertrag in Wirklichkeit eine Scheidungsfolgenvereinbarung, weil sich die Ehe bereits in der Krise befindet?
Ist einer der Ehegatten ein ausländischer Staatsangehöriger? Welchem Recht unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe? Wichtig: Europäische Unterhalts VO vom 18.6.2012!!!
Hat ein Ehegatte Kinder? Haben sie gemeinsames Kind oder ist die künftige Ehefrau schwanger? Besteht ein Kinderwunsch?
Wie sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei Abschluss des Ehevertrages und wie werden sie sich voraussichtlich in Zukunft entwickeln (Prognoseentscheidung)?
Ist das derzeitige Einkommen unterschiedlich oder etwa gleichhoch?
Verfügt ein Ehegatte über ausreichendes Vermögen, aus dessen Erträgnissen er auch ohne Einkommen aus Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann?
Wie ist der geplante oder bereits verwirklichte Zuschnitt der Ehe, insbesondere beabsichtigt die Ehefrau, nach der Geburt eines Kindes ihre Berufstätigkeit wieder aufzunehmen oder sind sich die Ehegatten einig, dass sie sich ausschließlich dem Haushalt und der Betreuung der Kinder widmen soll?
 

Rz. 3

Wirksamkeitsbedenken bestehen, wenn

eine ungleiche Verhandlungsposition der Ehegatten/Verlobten und damit eine Disparität bei Vertragsabschluss erkennbar ist – Indiz dafür ist die Schwangerschaft der Frau
und die Vorstellungen des Ehemannes zu einem Inhalt des Vertrages führen, der für die Frau ausnahmslos nachteilig ist und
der zu einer evident einseitigen durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigten Lastenverteilung bei Scheidung der Ehe führt und
dessen Einzelregelungen durch keine berechtigten Belange des Mannes gerechtfertigt werden.
Ein Unterhaltsverzicht ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn er zulasten der Sozialhilfeträger geht.
[4] Schnitzler/Brambring, § 23 Rn 7.

II. Inhalt der Vereinbarung

 

Rz. 4

Für die wirksame Titulierung eines Anspruchs in notarieller Urkunde gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist vor allem das Konkretisierungsgebot praktisch bedeutsam. Eine Verpflichtung muss so konkret bestimmt sein, dass sie später auch vollstreckt werden kann.

 

Rz. 5

 

Praxistipp:

Verfahrensbevollmächtigte müssen darauf achten, dass ein Prozessvergleich oder ein sonstiger unter ihrer Mitwirkung errichteter Titel klar und eindeutig formuliert ist.
Sollte die Vereinbarung wegen etwaiger Unklarheiten zu Ungunsten des Mandanten ausgelegt werden, besteht das Risiko der Anwaltshaftung.
 

Rz. 6

Es ist darauf zu achten, dass auch ausreichende Feststellungen über die Grundlagen der Festlegung getroffen wurden. Dabei ist an die Voraussetzungen einer späteren gerichtlichen Abänderung gem. § 239 FamFG zu denken. Bei einer Vereinbarung über den Unterhalt kommt es auf die von beiden Parteien zugrunde gelegten und für die Vereinbarung maßgeblichen Umstände an. Je deutlicher sich dies aus der notariellen Urkunde ergibt, umso eher kann später eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse auch tatsächlich festgestellt und belegt werden. Lässt sich dem Vergleich und dem ihm zugrunde liegenden Parteiwillen kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an veränderte Umstände entnehmen, ist es geboten, die Abänderung ohne fortwirkende Bindung an eine Grundlage des abzuändernden Vergleichs vorzunehmen. Der Unterhalt ist dann wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften zu bemessen.[5]

 

Rz. 7

 

Praxistipp:

Bei Beurkundungen noch vor Rechtskraft der Scheidung sollte immer klargestellt werden, ob die Regelung nur den Trennungsunterhalt oder auch den Nachscheidungsunterhalt betrifft.

Unterhaltsvereinbarungen kurz nach Eintritt des Getrenntlebens können deshalb problematisch se...

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