Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 46
Grundsätzlich steht es den Ehepartner frei, ob die gesetzlichen Vorschriften über den Güterstand für ihre Ehe gelten sollen oder nicht. Daher können sie – auch schon vor der Heirat – Vorsorge treffen für den Scheidungsfall.
I. Grenzen der Vertragsfreiheit
Rz. 47
Der Grundsatz der Vertragsfreiheit findet seine Grenze in den §§ 138 Abs. 1, 242 BGB. Nach der vom BGH entwickelten Kernbereichslehre (siehe Rdn 27) steht das Güterrecht in der niedrigsten Rangstufe und ist damit einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich.
Rz. 48
Praxistipp:
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Daher wird wegen der nachrangigen Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts folglich der Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes – für sich genommen – regelmäßig nicht sittenwidrig sein und damit einer Inhaltskontrolle standhalten. |
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Auch eine Korrektur im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB erfolgt nur unter "engsten Voraussetzungen". |
II. Beschränkung durch § 1378 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
Rz. 49
Durch § 1378 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB ist die Vertragsfreiheit über die Zugewinnausgleichsforderung bis zur Beendigung des Güterstandes eingeschränkt. Damit soll die Ausgleichsforderung vor ihrer Entstehung dem Rechtsverkehr mit Dritten entzogen werden, aber auch die Ehegatten selbst vor unbedachten eigenen Vereinbarungen schützen, deren Tragweite sie möglicherweise nicht vollständig übersehen.
Rz. 50
Praxistipp:
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Die Bestimmungen betreffen also nicht nur Rechtsgeschäfte mit Dritten, sondern auch solche unter Ehegatten. |
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Das Beurkundungserfordernis bezieht sich auf alle Absprachen der Ehegatten zum Bestand, Höhe, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Ausgleichsforderung. |
Rz. 51
Zulässig ist eine Vereinbarung während des Scheidungsverfahrens für den Fall der Eheauflösung, wenn diese notariell beurkundet (§ 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB) oder familiengerichtlich protokolliert (§ 127a BGB) wird.
Auf einen gerichtlich festgestellten Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO findet § 127a BGB entsprechende Anwendung.
Rz. 52
Praxistipp:
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Entgegen dem Wortlaut des § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB können Scheidungsvereinbarungen auch schon vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages wirksam getroffen werden, sofern die in § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgeschriebene Form beachtet wird. |
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Eine vorher formlos oder privatschriftlich getroffene Vereinbarung über den Zugewinnausgleich ist gem. § 125 BGB nichtig. |
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Dies gilt auch für die schriftliche Vereinbarung von Eheleuten, einzelne Sachen vom Zugewinnausgleich auszunehmen oder die Ausgleichsforderung in Raten zu zahlen. |
Rz. 53
Nach Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs, d.h. mit Beendigung des Güterstandes, unterliegt die Ausgleichsforderung der rechtsgeschäftlichen Dispositionsfreiheit der Ehegatten ohne besondere Formbindung, d.h. die Forderung kann z.B. Gegenstand eines Erlassvertrages sein, sie kann abgetreten oder inhaltlich verändert werden.