1. Verhandlungen
Rz. 74
Gemäß § 203 S. 1 BGB ist die Verjährung, solange zwischen Schuldner und Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Dabei ist der Begriff des "Verhandelns" weit auszulegen. Der Gläubiger muss lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend macht und worauf er ihn stützen will. Sodann genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort ablehnt; der Bekundung von Vergleichsbereitschaft bedarf es dabei nicht. In der Erklärung des Schuldners, er wolle dem Anspruchsinhaber seinen Standpunkt, der Anspruch sei verjährt, in einer Besprechung erläutern, kann demgemäß durchaus der Beginn von Verhandlungen liegen. Unzureichend sind dagegen in diesem Kontext die bloße Bestätigung des Eingangs einer Schadensanzeige oder die Mitteilung einer Weiterleitung der Sache an den eigenen Haftpflichtversicherer bei gleichzeitiger Ablehnung irgendwelcher eigener Erklärungen zu Grund und Höhe seiner Haftung. Erst recht fehlt jedes Verhandlungselement, wenn es bei bloßen Aufforderungen des Berechtigten geblieben ist. Verhandlungen in diesem Sinn können auch noch weiter laufen, wenn bei dem Verpflichteten eine zunächst konkret vorhandene Vergleichsbereitschaft wieder etwas zurücktritt, weil er sich von weiteren Ermittlungen oder dem Hinausschieben eines Vergleichsabschlusses Vorteile für sich verspricht, solange er gesprächsbereit bleibt. Es genügt z.B. auch, wenn der Versicherer mitteilt, nach Abschluss des Strafverfahrens werde er unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen. Macht der Anspruchssteller verschiedene Ansprüche geltend – z.B. zunächst einen eigenen Schadensersatzanspruch und dann einen Anspruch aus abgetretenem Recht –, so erstreckt sich eine Verjährungshemmung hinsichtlich des einen Anspruchs nicht ohne Weiteres auf einen zweiten Anspruch.
2. Ende der Verhandlungen, "Einschlafenlassen"
Rz. 75
Die Hemmung der Verjährung infolge Verhandlungen endet, wenn eine der Parteien die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Das ist im Einzelfall tatrichterlich zu beurteilen, erfordert aber – abgesehen vom Fall des "Einschlafenlassens" der Verhandlungen – wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche, dass dies durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht wird; und zwar im Sinne eines "doppelten Nein" bzgl. des Anspruchs wie auch bzgl. weiterer Verhandlungen. Eine Beendigung der Hemmung kommt anerkanntermaßen aber auch in Betracht, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen "einschlafen" lässt. Ein Abbruch der Verhandlungen durch ein solches "Einschlafenlassen" ist dann anzunehmen, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Regulierungsverhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung hätten fortgesetzt werden sollen. Die Wiederaufnahme abgebrochener Verhandlungen führt im Übrigen nicht zu einer auf den Beginn der Verhandlungen rückwirkenden Hemmung der Verjährung. – Siehe im Übrigen unten zu Besonderheiten im Bereich von § 115 VVG.
3. Ende der Verjährungshemmung
Rz. 76
Gemäß § 203 S. 2 BGB tritt Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung gem. S. 1 ein.