Rz. 4
Das Privatversicherungsrecht ist Spezialgebiet des Zivilrechts, im Gegensatz zu den gesetzlichen Versicherungen. Gegenstand des Privatversicherungsrechts sind somit die Rechte und Pflichten der Versicherer einerseits und der Versicherungsnehmer sowie der mitversicherten Personen andererseits. Grundlage des Privatversicherungsrechts ist daher zunächst das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das durch das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in den Bereichen abgeändert wird, die einer besonderen Regelung bedürfen. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG 2008) ist umfassend reformierte worden und an die Stelle des VVG 1908 getreten.
I. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)
Rz. 5
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherer und unterliegen der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB. Diese AVB werden Bestandteil des Versicherungsvertrages in der bei Vertragsschluss vereinbarten Fassung. Die Einbeziehung neuer Bedingungen muss gesondert und ausdrücklich vereinbart werden.
Die Bearbeitung von versicherungsrechtlichen Mandaten beginnt daher mit den jeweiligen AVB. Wenn diese keine Sonderregelung enthalten, gilt das VVG; findet man hier keine Regelung, ist auf das BGB zurückzugreifen. Versicherungsbedingungen sind nicht gesetzesähnlich, sondern nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen.
II. Versicherungsschein
Rz. 6
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 VVG ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer einen Versicherungsschein auszuhändigen. § 3 Abs. 3 VVG verpflichtet den Versicherer, dem Versicherungsnehmer jederzeit Abschriften über die Erklärung zu erteilen, "die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat". Daraus resultiert, dass der Versicherer im Streitfall verpflichtet ist, Abschriften der Antragsunterlagen ebenso zu übersenden wie ein Exemplar der AVB, die Gegenstand des Versicherungsvertrags sind. Der Versicherungsschein ist eine Beweisurkunde über den zustande gekommenen Vertrag.
III. Beteiligte
Rz. 7
Versicherer und Versicherungsnehmer sind die Vertragsparteien, es können aber auch Dritte in Rechte und Pflichten des Vertrages einbezogen werden.
Bei der Versicherung für fremde Rechnung (§ 43 VVG) handelt es sich um einen Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB).
Rz. 8
Die in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages einbezogenen Dritten sind Versicherte, die zwar einen Leistungsanspruch gegen den Versicherer gemäß § 44 Abs. 1 VVG haben; sie können über die Rechte aus dem Vertrag jedoch nur verfügen, wenn sie den Versicherungsschein oder die Zustimmung des Versicherungsnehmers haben (§ 44 Abs. 2 VVG).
Rz. 9
Begünstigte sind diejenigen, die durch vertragliche Vereinbarung in den Genuss der Versicherungssumme gelangen sollen, wie beispielsweise in der Lebens- und Unfallversicherung.
IV. Mehrfachversicherung (§ 78 VVG)
Rz. 10
Eine Mehrfachversicherung besteht, wenn dasselbe Risiko mehrfach versichert ist. Wird eine Mehrfachversicherung aus Bereicherungsabsicht abgeschlossen, ist jeder Versicherungsvertrag nichtig, die Versicherer dürfen die gezahlten Prämien behalten (§ 78 Abs. 3 VVG). Das Verbot der Mehrfachversicherung gilt für die gesamte Schadenversicherung, nicht jedoch für die Summenversicherung, also nicht für die Lebensversicherung, die Unfallversicherung und die Krankentagegeldversicherung.
Rz. 11
Eine Mehrfachversicherung besteht nur dann, wenn das versicherte Risiko in allen Versicherungsverträgen völlig deckungsgleich ist.
Beispiel
Wenn der bereits aufgeteilte Hausrat in der Wohnung des Erblassers verbleibt und dort durch einen Wasserschaden beschädigt wird, ist sowohl die Hausratversicherung des Erblassers als auch die der jeweiligen Miterben eintrittspflichtig.
V. Gefahrerhöhung (§ 23 VVG)
Rz. 12
Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn sich die Umstände der Risikobeschreibung ungünstig verändern und hierdurch der Eintritt des Versicherungsfalles wahrscheinlicher wird.
Beispiel
Das Haus des Erblassers steht längere Zeit leer, so dass die Gefahr von Brandstiftung oder Vandalismus vergrößert wird.
Rechtsfolgen der Gefahrerhöhung treten nur dann ein, wenn der Versicherungsnehmer (oder dessen Erbengemeinschaft) vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat (§ 26 Abs. 1 VVG). Bei grober Fahrlässigkeit ist der Versicherer berechtigt, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen"; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer (§ 26 Abs. 1 S. 2 VVG). Bei einer vorsätzlich herbeigeführten Gefahrerhöhung, die sich auch kausal auf den Eintritt des Versicherungsfalles auswirkt, ist der Versicherer in vollem Umfange leistungsfrei (§ 26 VVG). Bei einfacher Fahrlässigkeit kann der Versicherer lediglich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen (§ 24 Abs. 1 S. 2 VVG), bleibt aber für eingetretene Versicherungsfälle leistungspflichtig.